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Ein Jubelparlament für Maduro

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Mit der verfassungsgebenden Versammlung haben Venezuelas Sozialisten Fakten geschaffen.


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Caracas. Sie sind wieder vereint: Ex-Außenministerin Delcy Rodriguez, Ex-Parlamentspräsident Diosdado Cabello und natürlich auch die First Lady Cilia Flores. Wenn Venezuelas neue Volksvertretung in Kürze zusammentritt, dann sitzt die sozialistische Prominenz in der ersten Reihe, obwohl eigentlich Indigene, Campesinos und Arbeiter im Mittelpunkt der Versammlung stehen sollten. Seit einem blutigen Wahlsonntag ist die verfassungsgebende Versammlung (ANC) in Venezuela Realität. Und mit ihr ein ganz neues politisches Szenario.

Damit gibt es nun ein zweites Parlament in dem tief zerstrittenen Land. Einerseits wäre da die eigentliche Volksvertretung, die Nationalversammlung. Im Dezember 2015 hatte die überwiegende Mehrheit von fast 14,5 Millionen Venezolanern der bürgerlich-konservativen Mehrheit den Auftrag erteilt, das Land zu regieren und den in eigenständigen Wahlen ermittelten Präsidenten zu kontrollieren. Doch Präsident Nicolas Maduro dachte nicht daran, das Wählervotum und die Niederlage zu akzeptieren. Er regiert seither mit Sonderdekreten und Ausnahmezustand. Nun gibt es auch noch die verfassungsgebende Versammlung, die von offiziell gerade einmal 8,1 Millionen Menschen gewählt wurde.

545 regierungsnahe Abgeordnete entscheiden

Doch selbst an dieser offiziellen Zahl, die gerade einmal 41,5 Prozent der Wahlberechtigten entspricht, gibt es erhebliche Zweifel. "Ein Wunder. Wie Jesus einst das Brot vermehrte, vermehrten sich am Sonntag die Stimmen", spottete Oppositionspolitiker Ramus Allup angesichts der vielen Bilder von verwaisten Wahllokalen. Die Opposition zählte nur 2,4 Millionen abgegebene Stimmen. Wieder einmal klaffen riesige Lücken zwischen den beiden Wahrheiten. Die Macht aber bleibt wie stets in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten in der Hand der Sozialisten, mag das Wahlvolk auch anders abstimmen und oder den Urnen fernbleiben.

Für die Opposition ist die politische Realität bitter: Künftig haben trotz aller Proteste aus dem In- und Ausland, von Menschenrechtsorganisationen und der katholischen Kirche, 545 überwiegend regierungsnahe Mitglieder der ANC das Recht, Institutionen aufzulösen und die gesamte Machtarchitektur im Sinne Maduros neu zu ordnen.

Zuvor war es in Venezuela wieder einmal zu Jagdszenen gekommen. Die NGO Foro Penal spricht von mindestens 13, die regierungskritische Tageszeitung "El Nacional" zählte gar 16 Tote innerhalb von 24 Stunden. Angesichts der alltäglichen Gewalt im unter Maduro zum gefährlichsten Land Südamerikas mutierten Venezuela ist das fast schon Routine. Seit Anfang April sind es weit über 100 Tote, am Wochenende waren auch Funktionsträger und Kandidaten beider politischen Lager unter den Opfern. Es ist wohl ein Vorgeschmack auf das, was dem Land bevorstehen könnte. Auch in der politischen Klasse beginnt das Sterben.

Das Ausland reagiert kühl. Kuba, Nicaragua und Bolivien, treue Verbündete Venezuelas, erkannten das Ergebnis an. Die USA, Kolumbien, Mexiko, Brasilien, Peru und Panama verweigerten dem ANC dagegen die Anerkennung. Washington kündigte Wirtschaftssanktionen an. Es ist zu befürchten, dass darunter die Bevölkerung leiden wird. Und Maduro seinen publikumswirksamen Kalten Krieg gegen den "Imperator" Donald Trump bekommt.

Dabei liegt das rohstoffreiche Land wirtschaftlich ohnehin schon auf der Intensivstation. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2016 um rund 18 Prozent eingebrochen, heuer wird die Inflation wohl bei mehr als 1000 Prozent liegen. Die Kindersterblichkeit ist um 30 Prozent gestiegen. Und über 100.000 Menschen sind nach Kolumbien und Brasilien geflüchtet.

Derweil macht Maduro der Opposition erneut ein Gesprächsangebot: Die ANC biete den Raum für Gespräche. Damit ist klar, wie der Präsident die neue Machtarchitektur deutet: Nicht die von der Opposition dominierte Volksvertretung ist der Platz für Debatten, sondern die von den Sozialisten beherrschte ANC. "Man muss die Teile der Opposition isolieren, die sich einem Dialog verweigern", fordert Vize-Präsident El Aissami. Gewünscht sind nur noch Gesprächspartner, die die neuen Bedingungen akzeptieren.