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Ein Jubiläum im Zeichen der Fadesse

Von Von Wolfgang Zaunbauer

Analysen

Das Verfahren ist zu umfangreich und dauert zu lange. | Elsner könnte davon profitieren. | Vor zehn Tagen wurde in Hamburg der frühere Internetunternehmer Alexander Falk wegen Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Er hatte durch Scheingeschäfte den Wert seiner Firma geschönt und diese dann zu einem überhöhten Preis verkauft. Der Prozess gegen Falk gilt in Deutschland als eines der spektakulärsten Wirtschaftsverfahren - und vor allem als eines der längsten. Fast dreieinhalb Jahre dauerte der Monsterprozess. Das Urteil erfolgte erst nach 157 Verhandlungstagen.


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Im Vergleich dazu ist der Bawag-Prozess geradezu produktiv. Für die bisher 100 Verhandlungstage brauchte man gerade einmal zehn Monate. Produktiv war man auch, was den Aktenbestand angeht: Seit Prozessbeginn hat sich dieser von 71 auf 224 Bände mehr als verdreifacht. Jeder Band umfasst rund 500 Seiten, insgesamt also über 100.000 Aktenseiten. Diese Zahlen machen die Problematik des Prozesses deutlich: Er wird zu groß - in Dauer und Umfang.

Seit Prozessbeginn wurde die Anklage wiederholt ausgeweitet, zuletzt etwa gegen Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner und Ex-Vorstand Peter Nakowitz. Ihnen wird - neben Untreue, Bilanzfälschung und in Elsners Fall auch Betrug - nun auch vorgeworfen, den früheren Wiener Landespolizeikommandanten Roland Horngacher zur Verletzung des Amtsgeheimnisses angestiftet zu haben. Dass dies mit dem eigentlichen Verfahren um verspekulierte 1,4 Milliarden Euro nichts zu tun hat, ist Staatsanwalt Georg Krakow offensichtlich egal. Statt auszulagern, packt er alles in das laufende Verfahren hinein.

Krakow wird daher von manchen vorgeworfen, der eigentlich Schuldige an der langen Prozessdauer zu sein. Die Anklage sei von Anfang an nicht ausgereift gewesen und zu früh erhoben worden, heißt es. Das mag vielleicht stimmen, allerdings darf man nicht vergessen, dass die Anklagevertretung unter einem gewissen Zeitdruck stand. Immerhin saß (und sitzt noch immer) der Hauptbeschuldigte Elsner in Untersuchungshaft. Dazu kommen immer neue Aspekte, die erst während des Prozesses überhaupt bekannt wurden.

Ausgerechnet Elsner könnte übrigens der Hauptprofiteur der ausufernden Prozessdauer werden: Wie der Strafrechtler Helmut Fuchs in der "Presse" meint, könnte die lange U-Haft wegen Unverhältnismäßigkeit ein Strafmilderungsgrund sein. Allerdings ist unbestreitbar Elsners Anwalt Wolfgang Schubert der Hauptverantwortliche dafür, dass seit Monaten nichts weitergeht. Seit Fritz Kleiner Mitte Jänner sein Gutachten präsentierte, hat Schubert 1264 Fragen an den Sachverständigen gestellt und so das Verfahren blockiert. Auch der 100. Prozesstag steht im Zeichen dieser ermüdenden Übung.

Schubert beruft sich darauf, dass das Gutachten viel zu spät erarbeitet wurde, womit er zweifellos Recht hat. Dies hätte schon vor dem Prozess fertiggestellt sein müssen. Dass der Anwalt von der Verfahrenslänge auch finanziell profitiert, ist hingegen nicht anzunehmen. Zwar halten sich diesbezüglich alle verdeckt, doch es ist anzunehmen, dass die Verteidiger im Bawag-Prozess nicht wie üblich nach einem Stundensatz bezahlt werden.

Allen Unkenrufen zum Trotz ist ein Ende des Prozesses in Sicht: Richterin Claudia Bandion-Ortner hofft, ab 16. Juni "ins Finale gehen" zu können.

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