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Ein justizieller Maulkorb für Olaf

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Durch eine sehr ungeschickte Vorgangsweise hat das EU-Amt für Betrugsbekämpfung eine EuGH-Rüge bekommen, die seine Ermittlungen in Zukunft nicht erleichtern wird.


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Das "Europäische Amt für Betrugsbekämpfung" (Olaf) wurde 1999 von der Europäischen Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft eingerichtet. Es hat vor allem den Auftrag, innerhalb der Organe in der EU administrative Untersuchungen durchzuführen, um dabei unter Umständen schwerwiegende Verfehlungen aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und sonstigen Bediensteten darstellen können.

Solche Verfehlungen können sowohl disziplinäre als auch strafrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Die Kontrollen, die die mehr als 400 Bediensteten von Olaf durchführen, unterliegen einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom Mai 1999 (Amtsblatt 1999, L 136, 1). Sie müssen dementsprechend unter vollständiger Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie des Rechts der Beteiligten, zu den sie betreffenden Anschuldigungen Stellung nehmen zu können, durchgeführt werden.

Interne Prüfungen von Olaf beim "Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften" (Eurostat) ließen 2003 Unregelmäßigkeiten im Finanzgebaren von Eurostat erkennen, wobei ersichtlich wurde, dass der Generaldirektor von Eurostat, Yves Franchet, und dessen Stellvertreter, Daniel Byk, darin verwickelt waren.

Verdächtige beim Namen genannt

Daraufhin übermittelte Olaf - unter dem Hinweis auf Anstiftung zur Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung - die Erhebungsunterlagen an die Strafverfolgungsbehörden sowohl in Luxemburg als auch in Paris, wo sich der Sitz dubioser Partnerfirmen befand. Dabei wurden die beiden Verdächtigen namentlich genannt und auch bekannt gegeben, dass ihnen eine (Mit-)Schuld an diesen Verfehlungen angelastet werde.

Gegen diese Verdächtigungen erhoben die Herren Franchet und Byk beim europäischen Gericht erster Instanz Schadensersatzklage basierend auf der Amtshaftung der Europäischen Gemeinschaften. Sie behaupteten, dass ihnen durch diese Indiskretionen von Olaf, die einen schweren Amtsfehler darstellen, sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Schaden entstanden sei. Darüber hinaus bestehe zwischen den Amtsfehlern und den dadurch zugefügten Schäden auch ein kausaler Zusammenhang.

Olaf hätte sie über die Übermittlung seiner Untersuchungsergebnisse an die luxemburgischen und französischen Strafverfolgungsbehörden informieren müssen, damit sie ihre Verteidigungsrechte entsprechend wahren hätten können. Außerdem hätte die Weitergabe der Akten gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Vertraulichkeit der Untersuchungen und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. Olaf seien daher eine Reihe von Fehlern unterlaufen, die die Amtshaftung der Europäischen Gemeinschaft auslösen würden.

Das Gericht erster Instanz prüfte diese Behauptungen und kam zu dem Schluss, dass Olaf - beziehungsweise die Europäische Kommission, der letztlich diese Vorgangsweise der von ihr eingesetzten Agentur Olaf zuzurechnen ist - nicht mit der notwendigen Diskretion und gebotenen Zurückhaltung zur Wahrung der Unschuldsvermutung von Franchet und Byk vorgegangen ist. Die qualifizierten Verstöße gegen mehrere Grundrechte waren aus der Sicht des Gerichts geeignet, die Amtshaftung der Gemeinschaft auszulösen. Den materiellen Schaden (Anwaltskosten etc.) wies das Gericht zurück, den durch die Rufschädigung entstandenen immateriellen Schaden bezifferte es in der Folge mit je 56.000 Euro.