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Die Fifa-Infantino-PR-Show wirkt als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
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Es ist für die Fifa ein leidiges Thema, das die WM in Katar seit deren Vergabe begleitet und mit dem ersten Anpfiff so richtig Fahrt aufgenommen hat: die Menschenrechtssituation im WM-Gastgeberland nämlich. Aus dem Ausland kommende Arbeiter werden ausgebeutet, Homosexualität steht unter Strafe, überhaupt gilt die Scharia als Gesetzesgrundlage; man kennt das alles. Doch was macht die Fifa? Nachdem sie zuerst ebenso verzweifelt wie vergeblich versucht hat, das Thema unter den Teppich zu kehren, wärmt sie es nun - ausgerechnet da die WM mit den Halbfinalspielen unaufhaltbar auch sportlich ihrem Höhepunkt entgegenschreitet und die Augen der Fans weltweit somit mehr auf den Rasen denn auf die sonstige Situation gerichtet sind - selbst noch einmal auf. Bei einer öffentlichkeitswirksamen Partie von Altstars gemeinsam mit Gastarbeitern spielte Fifa-Präsident Gianni Infantino höchstselbst kurzzeitig Schiedsrichter und tönte vollmundig: "Lasst uns hier auf einen großen Fußballabend hoffen, so wie wir hier bisher eine großartige WM gesehen haben." Eingeladen bei dem Kickerl im Al-Thumama-Stadion von Doha waren "Arbeiter, Fans und Volunteers" aus Katar. "Fußball vereinigt die Welt", sagte Infantino.
Was er nicht sagte, woran er aber mit der Aktion unbewusst erinnerte, ist, dass offiziellen Angaben zufolge auf den Baustellen der acht WM-Stadien seit der Vergabe im Jahr 2010 drei Menschen ums Leben gekommen sind, die Gesamtzahl der in Katar verstorbenen Gastarbeiter aber massiv höher liegt.
Schließlich räumte selbst der Generalsekretär des Organisationskomitees, Hassan al-Thawadi, kürzlich ein, dass es insgesamt in Zusammenhang mit Projekten für und rund um die WM 400 bis 500 Tote zu beklagen gab; Menschenrechtsorganisationen sprechen von weit mehr. Gelbe Karten für Menschenrechtsverletzungen gab es von Infantino nie, stattdessen verteilte er auf dem Rasen in seinem zehnminütigen Einsatz zwei, ehe er von einer Schiedsrichterin abgelöst wurde. Auch das sollte wohl eine Botschaft sein.
Aber Message Control können andere anscheinend besser. Denn die Botschaft, die ankommt, wirkt nur wenige Tage nach dem internationalen Tag der Menschenrechte für viele der von der prekärenden Situation Betroffenen eher wie eine Verhöhnung des Gegners; da konnten zahlreiche Ex-Nationalspieler wie der Brasilianer Cafu, der Engländer John Terry und der Niederländer Clarence Seedorf noch so nach Infantinos Pfeife tanzen.
Den Gastarbeitern und Minderheiten bringt die Aktion jedenfalls eher wenig. Dabei gibt es viele andere Initiativen, die weniger nach Aufmerksamkeit heischen, aber wirkungsvollere Hilfe leisten. Der niederländische Verband versteigert seine Trikots zugunsten von Gastarbeitern, in Österreich spendet etwa der Verein "Respekt.net" bei der Initiative "Strafraum Katar" pro bei der WM gefallenes Tor einen Euro an karitative Einrichtungen.
Das mag als Tropfen auf den heißen Stein erscheinen. Es ist jedenfalls alles besser als eine Fifa-Infantino-PR-Show als Tropfen, der für viele das Fass erst recht zum Überlaufen bringt. Mit Menschenrechten sollte man sich halt keinen Jux(-Kick) machen.