Neue Gefahren durch sexuelle Gewalt in Konflikten bedürfen neuer Maßnahmen: Stärkung der Zivilgesellschaft und schärfere Rechtsprechung.
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Im Irak wird ein junges Mädchen aus seinem Dorf verschleppt und als Sexsklavin verkauft oder verschenkt. In einem syrischen Gefängnis wird ein Häftling vergewaltigt, um ihn für - reale oder unterstellte - politische Überzeugungen zu bestrafen. Im Südsudan muss sich eine Frau entscheiden, ob sie sich selbst schützt oder ihre Familie mit Nahrung versorgt: Wenn sie versucht, die Ernte einzuholen, werden sie bewaffnete Männer überwältigen. In Bosnien geht eine Frau jeden Tag an jenem Ort vorbei, an dem sie während des Krieges vor 20 Jahren vergewaltigt wurde.
Dies ist Realität für jene Frauen, Kinder und Männer auf der ganzen Welt, die sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten ausgesetzt sind.
Im vergangenen Jahr wurden erhebliche Fortschritte bei der Bekämpfung von sexueller Gewalt erzielt. Ein weltweites Gipfeltreffen in London im Juni 2014 brachte tausende Politiker, Wissenschafter, privatwirtschaftliche Akteure und Überlebende zusammen, um diese Art von Menschenrechtsverletzungen endgültig zu beseitigen. Jene Länder, in denen sexuelle Gewalt eine Rolle spielt, haben wichtige Schritte unternommen: Die Demokratische Republik Kongo hat einen Regierungsvertreter zur Bekämpfung der sexuellen Gewalt in Konflikten und an Kindern ernannt. Kolumbien hat sichergestellt, dass die Überlebenden solcher Übergriffe mit am Tisch sitzen, wenn darüber verhandelt wird, wie sich der seit Jahrzehnten tobende Bürgerkrieg beenden lässt.
Leider stehen diesen Erfolgen aber auch neue, erschreckende Herausforderungen gegenüber. Die Verbrechen von gewalttätigen extremistischen Gruppen sind erschreckend - allein schon wegen des Organisationsgrades und der großen Raffinesse. Erfolgreiche Kämpfer erhalten Frauen als Trophäen - und damit werden in sozialen Netzwerken neue Mitglieder geworben. Die Nutzung der Kommunikationstechnologien des 21. Jahrhunderts hilft bei der Verbreitung mittelalterlicher Botschaften an internationales Publikum.
Der heurige UNO-Bericht über sexuelle Gewalttaten in bewaffneten Konflikten zeigt nicht nur all die schrecklichen Facetten systematischer sexueller Gewalt auf, sondern auch den gravierenden Mangel an Betreuungsangeboten und Unterstützung für Überlebende.
Und er zeigt, wie wichtig die Stärkung der zivilen und militärischen Gerichtsbarkeit ist. Es ist notwendig, Kriegsvergewaltigungen bei Friedens- oder Waffenstillstandsverhandlungen nicht auszuklammern und jede Amnestie für die Täter auszuschließen. Die Fortschritte im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass wir mit dem entsprechenden politischen Willen und mit dauerhaftem Einsatz das Blatt gegen sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten wenden können.
Die internationale Gemeinschaft muss ihre Bemühungen aber noch weiter verstärken und noch mehr Druck ausüben, um den Boden, den wir gewonnen haben, nicht gleich wieder zu verlieren und künftigen Herausforderungen durch neue, zunehmende Bedrohungen frühzeitig zu begegnen. Die Herausforderungen sind groß - aber die Leben von tausenden Menschen weltweit und die Zukunft von Frieden und Sicherheit unserer globalen Gemeinschaft hängen davon ab. Diesen Kampf zu verlieren ist keine Option.