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Ein Kandidat ohne echte Gegner

Von WZ-Korrespondentin Marijana Miljkovic

Politik

Bei den Wahlen in Serbien am 16. März gilt ein Sieg von Aleksandar Vucic als fix.


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Belgrad. Weder Russland noch die EU und nicht einmal der Kosovo sind beim Parlamentswahlkampf in Serbien Thema. In Hinblick auf den Urnengang am 16. März überwiegt die Sicht nach innen. Im Mittelpunkt steht dabei nur ein Kandidat: Aleksandar Vucic. Laut jüngsten Umfragen könnte der jetzige Vizepremier und Vorsitzende der Fortschrittspartei SNS am kommenden Sonntag Regierungschef werden. Andere Kandidaten und Parteien rücken dabei fast vollkommen in den Hintergrund. Weil sie darauf hoffen, mit Vucic regieren zu können, wagen die politischen Gegner auch keine richtigen Attacken gegen den 44-jährigen Juristen, der sich in der Vergangenheit als politisch erstaunlich wandlungsfähig gezeigt hat.

Vucic, so scheint es, hat seinen Weg an die Spitze von langer Hand geplant. Begonnen hatte er damit bereits nach dem Wahlsieg der Fortschrittspartei bei den Parlamentswahlen 2012. Vucic ging mit dem Chef der Sozialistischen Partei, Ivica Dacic, eine Koalition ein und überließ diesem das Amt des Premiers. Doch schnell wurde klar, wer in der Regierung das Sagen hatte.

Vucic, der die Boulevardmedien auf seiner Seite hat, rief den Kampf gegen die Tycoons aus, die nach der Ära von Slobodan Milosevic zu Reichtum gekommen waren. Die Verhaftung des reichen Unternehmens Miroslav Miskovic, der sich nun vor Gericht verantworten muss, interpretierte man in Serbien nicht nur als Schlag gegen Korruption und den politisch-wirtschaftlichen Filz, sondern auch als Warnung gegen die politischen Gegner. Zielscheibe der Anti-Korruptionskampagne von Vucic war dabei vor allem die Demokratische Partei (DS) und deren Chef Dragan Djilas, der im September als Belgrader Bürgermeister abgesetzt wurde. Aber auch Boris Tadic, der mittlerweile aus der DS ausgetretene ehemalige Präsident, geriet ins Visier.

Wirtschaft liegt am Boden

Mit jedem Popularitätsschub Vucics wurden die Gerüchte über vorgezogene Wahlen stärker. Sie zeichneten sich spätestens zu dem Zeitpunkt ab, als Premier Dacic mit dem pikanten Vorwurf konfrontiert wurde, Kontakte zu dem flüchtigen serbischen mutmaßlichen Drogenboss Darko Saric gepflegt zu haben.

Doch der erfahrene Politiker Dacic spielte bei der EU-Annäherung Serbiens eine wichtige Rolle. Er saß mit dem kosovarischen Premier Hashim Thaci an einem Tisch in Brüssel und verhandelte über den Abbau der serbischen Parallelinstitutionen im Norden des Kosovo. Eine Annäherung an die ehemalige serbische Provinz, die sich 2008 unabhängig erklärte, war die Bedingung Brüssels für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Am 21. Jänner 2014 starteten die Gespräche auch tatsächlich. Nur acht Tage später schrieb Staatspräsident Tomislav Nikolic vorgezogene Wahlen aus.

Neben dem Kampf gegen Wirtschaftsbosse machte es sich Vucic auch zur Aufgabe, Investoren nach Serbien zu locken und die Wirtschaft anzukurbeln. Im Herbst 2013 holte er dafür zwei Experten in die Regierung, überwarf sich aber schnell mit dem neuen, reformeifrigen Wirtschaftsminister Sasa Radulovic. Dieser schied Ende Jänner aus der Regierung aus, nicht jedoch, ohne Vucic heftig zu kritisieren. Vucic sei gar nicht daran interessiert, Reformen durchzuführen und das "parasitäre System", womit er die Beschäftigungspolitik in öffentlichen Stellen und Unternehmen nach Parteizugehörigkeit meinte, abzuschaffen. "Das Gerede von Reformen ist reines Marketing", sagte Radulovic. Als reines Marketing bewerteten Vucics Gegner auch die Großprojekte in Belgrad, die Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten verwirklichen sollen. Nach Vorbild von Abu Dhabi soll ein Stadtteil auf der Save gebaut werden, "Belgrad am Wasser". Generell setzte Vucic in der Vergangenheit auf Geld aus den Emiraten. So sprach er von einem Kredit in Höhe von drei Milliarden Dollar. Serbien erhielt schließlich eine Milliarde, bei Weitem nicht genug, um das Budgetloch zu stopfen. Die geplanten Sparmaßnahmen dürften die Misere weiter vertiefen.

Bei der Bevölkerung, der die hohe Arbeitslosigkeit und die niedrigen Löhne (400 Euro im Schnitt) zu schaffen machen, kommt etwas anderes besser an: Lebensmittelpakete. Zucker, Mehl, Öl und Fleischpasteten fanden sich laut Medienberichten in Plastiksackerln mit dem Aufdruck der Serbischen Fortschrittspartei. Es sind Vorräte, die die nächsten vier Jahre halten sollten, spotteten die Leser.