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Lesen ist grundsätzlich besser als Nicht-Lesen, das gilt für Weintrauben, Leviten und Bücher. Außerdem sind Bücher Erkenntnismittel zu doppeltem Zweck: durch sie erfährt man etwas von der Welt und auch von sich selbst ("Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel herausgucken", sagt Lichtenberg).
Doch was soll man lesen? Als Wegweiser für Leseanfänger wollen offenbar die nun modischen Kanones der Weltliteratur dienen, zusammengestellt von mehr oder weniger prominenten und kompetenten Experten, welche bei ihrer Auswahl kaum fehlzugehen vermögen - denn die großen Meisterwerke der Weltliteratur stehen ja längst außer Streit.
Einen Kanon der anderen Art findet man in der "Radiokolleg Bibliothek" auf Ö1. Diese von Heinz Janisch gestaltete akustische Bücherpräsentation folgt (schon seit rund vier Jahren) dem Grundsatz: Literaturliebhaber stellen Werke vor, die sie für wertvoll und wichtig halten. Solcherart lernt man gute Bücher und interessante Leser kennen. Der Schriftsteller Martin Auer etwa empfahl die Lektüre von Bohumil Hrabals "Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene", und Nathalie Tornai, Lektorin im NÖ-Pressehaus, legte uns den letzten Gedichtband des im Vorjahr verstorbenen Thomas Brasch ans Herz. Sie tat dies übrigens fast ebenso kundig wie Reich-Ranicki, und auf viel anmutigere Weise, als der Literaturpapst es zu tun pflegt.