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Ein Kärntner will Muslime "zinslos glücklich" machen

Von Clemens Neuhold

Wirtschaft
Bei seinen potenziellen Kunden am Brunnenmarkt.
© Clemens Neuhold

Harald Lamprecht suchte in der Finanzkrise nach Alternativen zum Finanzsystem. Nun berät er Muslime in Ottakring beim Halal-Sparen.


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Wien. Weltweit sind 38 Millionen Menschen Kunden einer Bank, die wenigstens teilweise Islamic Banking anbietet. Tendenz steigend. Österreichische Banken bieten hingegen noch keine Produkte nach dem islamischen Recht mit seinem Zinsverbot an. Sie spüren unter ihren Kunden kaum Nachfrage. Der Kärntner Harald Lamprecht (43) will sie im direkten Kontakt mit Muslimen sehr wohl verspürt haben und hat das wohl erste Halal-Start-up im Finanzbereich gegründet.

Im Herzen des türkischen Wiens, in der Grundsteingasse in Wien Ottakring, hat er ein Gassenlokal bezogen. Ein steriler Raum ohne optischen Hinweis auf den Islam, keine Mekka-Bilder, keine Sure, kein arabisches Schriftzeichen. Ein Tisch, eine Couch, im hinteren Raum eine Dusche. Nur ein schlichter Zettel in der Tür verrät das Business: "Kindersparpläne, Elternsparpläne, Hadsch-Sparen. Zinslos glücklich." Am wenigsten würde man aber hinter dem waschechten Kärntner Harald Lamprecht aus Feld am See einen Islam-Berater in Sachen Finanzen vermuten.

Lamprecht war IT-Techniker. Als er für seine sechsköpfige Familie Geld sparen wollte, brach 2008 die Finanzkrise aus. Er suchte nach Alternativen zum wankenden Finanzsystem und wurde im Islamic Banking fündig. Er knüpfte Kontakte zum deutschen Beraternetzwerk "My Islamic Finance". Seit Anfang des Monats arbeitet er mit ihnen.

Er ist keine Bank, die auch Geld verborgt, weil er dafür eine Lizenz bräuchte. Schon gar nicht sei er einer dieser Kredithaie, weil das "haram" (verboten) sei. Er berät unter der deutschen Dachmarke Kunden, wie sie ihr Geld "halal" (erlaubt) anlegen können. Dafür verlangt er zwischen fünf und sechs Prozent Provision von der angesparten Summe. Seine Palette ist denkbar eingeschränkt: auf Gold und Scharia-Fonds. Die Fonds vertreibt ein österreichischer Partner. Lamprecht ist der Vermittler. In den Fonds stecken Firmen, die nichts mit Waffen, Glücksspiel, Versicherungen oder der Finanzbranche (wegen ihres Zinsgeschäftes) zu tun haben. Kunden, die ihr Geld in Gold anlegen, schließt er mit einem deutschen Gold-Anbieter kurz.

"Natürlich kann der Goldpreis auch sinken", sagt Lamprecht, aber dafür sei das Edelmetall krisensicher. "Gold ist noch nie pleitegegangen."

Wofür sparen seine potenziellen Kunden? Zum Beispiel für die Hadsch, erzählt er. Das ist die Pilgerreise nach Mekka, die jeder Gläubige einmal im Leben absolvieren muss. Oder für die Kinder. Oder ein Haus.

Warum sollen die Muslime ihr hart zusammengekratztes Geld einem Kärntner anvertrauen? Die muslimische Community umfasse viele Richtungen und Nationen. Es müsse deswegen kein Nachteil sein, zu keiner von ihnen zu gehören, sagt er.

Ist er überhaupt Moslem? Nicht direkt. Lamprecht ist evangelisch getauft, bezeichnet sich als religiös. Der Islam liege ihm von allen monotheistischen Religionen am meisten. Die hätten viel mehr Gemeinsames als Trennendes. Deswegen drängt es ihn nicht, zu konvertieren. Er betet nicht fünf Mal am Tag, besucht aber regelmäßig eine Moschee des türkischen Vereines Atib im 20. Bezirk. Die türkische Predigt versteht er nicht, er genieße die Atmosphäre. Er hofft, dass Atib und türkische Zeitungen seine Dienstleistung bei potenziellen Kunden bewerben. Die nennt er "Brüder". 20 Abschlüsse im Monat peilt er mit diesen an, der Ottakringer Halal-Berater aus Kärnten.