"Die Universität Berlin ist eine Parteiuniversität. Wir streichen sie aus der kulturellen Liste Deutschlands." - Aus dem Leitartikel des Berliner "Tagesspiegels" vom 18. Oktober 1946. | In der Prachtstraße "Unter den Linden" in Berlins Mitte steht das 200-jährige Palais des Prinzen Heinrich von Preußen. Das spätbarocke Gebäude ist weltbekannt, obwohl sein Bauherr eher im Schatten seines Bruders, des "Alten Fritz", stand. Umgebaut und erweitert, ist es noch heute der Hauptsitz der ehrwürdigen Humboldt-Universität.
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"Von der alten Uni standen 1946 nur noch die Fassaden. Bevor man zum Studium zugelassen wurde, musste man erst einmal ein viertel Jahr lang Ruinenschutt und Bombentrümmer wegräumen. Die wenigen, nicht zerbombten Räume waren unbeheizt, wir saßen in Mänteln da und versuchten, mit Handschuhen an den klammen Fingern die Vorlesungen mitzuschreiben", erinnert sich ein Student der ersten Stunde. Unterernährung und Tuberkulose waren gang und gäbe.
Doch viel schlimmer noch wogen die Repressalien der sowjetischen Militäradministration, auf deren Gebiet die Universität lag. Sie sollte eine kommunistische Kaderschmiede werden, bis zu Pflichtvorlesungen in Marxismus/Leninismus.
Die Sowjets verhafteten unliebsame Personen sogar in den Westsektoren, wie etwa den Juristen Walter Linse, der in Moskau hingerichtet wurde. Auch zahlreiche Studenten wurden verhaftet, verschleppt, gefoltert, ermordet. Drei Vertretern der christlichen Studentenschaft wurden unter Folter Geständnisse abgepresst.
Die Studentenzeitschrift "colloquium" veröffentlichte 284 Namen von verhafteten Studenten. Die Zeitschrift war unter amerikanischer Lizenz als Reaktion auf das kommunistische Sprachrohr "Forum" gegründet worden.
Die Antwort war der Entzug der Studienerlaubnis u.a. für den Mitherausgeber des "colloquiums" Joachim Schwarz am 16. April 1948. Dies brachte das Fass zum Überlaufen. Dass sie damit selbst den Stein zur Gründung einer von Ideologie freien Universität im Westen ins Rollen brachten, hatten die Kommunisten wohl nicht erwartet. Zur Protestversammlung im Hotel Esplanade (West-Berlin) kamen mehr als 1500 Studenten, obgleich ihnen die Relegation angedroht worden war.
Mit Hilfe mutiger Professoren und einem selbstbewussten akademischen Mittelbau, vor allem aber mit großzügiger amerikanischer Unterstützung, gründeten die Studenten die "Freie Universität Berlin", in deren Emblem sie den Wahlspruch "Veritas Iustitia Libertas" (Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit) verewigten und damit auch ihre Programmatik umrissen.
Am 19. Juni 1948 konstituierte sich der "Vorbereitende Ausschuss zur Gründung einer freien Universität", an dem sich Politiker, Professoren, Dozenten, Verwaltungsmitarbeiter und Studenten beteiligten. Bereits fünf Monate später wurde der Lehrbetrieb aufgenommen.
Die Satzung, das "Berliner Modell", wurde richtungsweisend: Eine stark ausgeprägte Selbstverwaltung sollte die Staatsferne und Unabhängigkeit der Lehre und Forschung sichern. Außerdem hatten Studenten einen Sitz im Kuratorium sowie in allen anderen Gremien der akademischen Selbstverwaltung. Das gab es an keiner anderen Universität - Nährboden für die 68er-Bewegung.
Auf die Frage, warum das in Berlin so anders verlaufen ist als in Wien, erklärt der 84-jährige Philosoph Hans-Joachim Lieber, Mitbegründer der FU und später deren Rektor: "Ich glaube, der fundamentale Unterschied bestand darin, dass Wien eine Fünf-Sektoren-Stadt war, und der gemeinsam verwaltete fünfte Sektor derjenige war, in dem sich alle öffentlichen Verwaltungsinstitutionen einschließlich der Universität befanden. Damit waren die Chancen, das Universitätswesen usw. unter sowjetischen Einfluss zu bringen, auf Null reduziert."