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Ein Kindergarten als Brücke zwischen verschiedenen Kulturen

Von Michael Ellenbogen

Wissen

Kinder aus türkischen, bosnischen oder arabischen Familien sollten auch die Möglichkeit haben, zu lernen, sich in Österreich zu integrieren, ohne die religiösen und kulturellen Inhalte des Islam aufgeben zu müssen. Der Kindergarten "IQRA", das soviel wie "lies" bedeutet, bietet die Möglichkeit dazu.


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Das Haus in der Siccardsburggasse 21 wirkt außen eher unscheinbar. Im Erdgeschoss befinden sich die Räumlichkeiten des Kindergartens und eines Hortes zur Nachmittagsbetreuung für Volks- und Hauptschüler mit der Bezeichnung "Talim", was soviel wie "Wissen lernen" bedeutet. Insgesamt stehen den Kindern und Jugendlichen 200 Quadratmeter zur Verfügung, welche nach dem neuesten Standard für österreichische öffentliche Kindergärten eingerichtet wurden.

Ein Garten erlaubt in der warmen Jahreszeit auch Aktivitäten im Freien. Während der Zeit ihres Aufenthaltes werden die kleinen Gäste auch verköstigt, denn in der hauseigenen Küche werden Speisen nach islamischen Geboten (Halal) zubereitet.

Der Betreiber der Institution, der 53-jährige Muhammad Ismail ist gebürtiger Wiener und war bis 1992 als Großhandelskaufmann tätig, ehe er zum Islam konvertierte. In dieser Zeit setzte er sich intensiv mit den Grundsätzen dieser Weltreligion auseinander. Muhammad Ismail lebte mit seiner Familie von 1996 bis Ende 1999 in Pakistan, ehe er wieder nach Wien zurückkehrte.

"Ich hatte nach meiner Rückkehr in Wien sehr viel mit Migranten zu tun, speziell mit türkischen Familien. Es fiel mir auf, dass es hier überhaupt keine Möglichkeit gab, die Kinder der Muslime innerhalb ihrer Lebensweise zu unterrichten, um sie mit ihrer neuen Heimat vertraut zu machen," erklärte Muhammad Ismail. "Der Islam ist ja nicht nur eine Religion, sondern auch eine Kultur und der Muslim "lebt" den Islam 24 Stunden, ja sein ganzes Leben, man kann das nicht so einfach trennen," analysiert der Gründer des "IBIZ", dem "Integrativen Bildungs- und Informationszentrum", welches neben dem Kindergarten und dem Hort auch Deutschkurse für Migranten anbietet. Österreicher wiederum haben dort die Möglichkeit, Arabisch zu lernen.

Für Muhammad Ismail war es klar, dass ein Großteil der Migranten ihre Kinder zwar in öffentliche Schulen und Kindergärten schickten, um sie am Leben in ihrer neuen Heimat teilhaben zu lassen, doch er erkannte auch die Schwierigkeiten, mit denen Kindern wie Eltern konfrontiert waren. Das größte Problem war die deutsche Sprache, denn in den Familien der meisten Kinder wurde nur deren Heimatsprache, sei es nun türkisch, arabisch oder bosnisch gesprochen.

Als weitere "Hürde" sah Muhammad Ismail die tiefe Verbundenheit der Muslime mit ihrer Kultur. Außerdem ist es gerade diese Kultur, welche die Kinder zu hilfsbereiten und verantwortungsbewussten Mitgliedern der Menschheit macht. "Mir war es wichtig, diese Menschen auf ihr Leben in ihrer neuen Heimat vorzubereiten. Dazu gehört in erster Linie das Erlernen der Sprache aber auch der Geschichte des Landes in dem sie jetzt leben, doch dies muss alles innerhalb ihrer Kultur geschehen," analysiert Ismail. Diese Argumente motivierten den gebürtigen Wiener im Jahr 2001 das "IBIZ" (Integratives Bildungs- und Informationszentrum) zu gründen.

Doch Muhammad Ismail kannte, bevor er den Islam annahm, auch ein anderes Leben. Als Geschäftsmann ging es ihm gut und er "genoss" das Leben, doch den inneren Frieden und Erfüllung fand er nicht. Der Geschäftsmann begab sich auf die Suche. Anfangs beschäftigte er sich mit den fernöstlichen Religionen, wie Zen, dem Buddhismus oder der Inkarnation. "Bei diesen Religionen vermisste ich den Schöpfer. Denn für mich hat es nur Sinn an etwas zu glauben, worin ich die Wahrheit erkennen kann und die erkannte ich in der Schöpfung," erläutert Muhammad Ismail seinen Weg zum Islam.

Ismail hatte es sich gemeinsam mit seiner Frau zur Aufgabe gemacht die Kinder bei ihrer Entwicklung zu begleiten und ihnen die Werthaltungen des Islam nahe zu bringen. Die Schwerpunkte sind die spielerische Vermittlung der deutschen Sprache und den islamischen Umgangsformen (Adab). Die Bildung altersangepasster Gruppen ermöglichen ein entspanntes Lernen, wobei aber auch Spielen und Basteln nicht zu kurz kommen. Geschulte Pädagogen helfen den Kindern, das "Lernen zu lernen".

Ein weiterer wichtiger Bereich des "IBIZ" ist die Hort- und Nachmittagsbetreuung (Talim). Hier steht die Betreuung von Schülern bei der Bewältigung ihrer Hausaufgaben im Vordergrund. Schülern mit Lernschwierigkeiten wird Hilfe angeboten. Muhammad Ismail ist davon überzeugt, dass sein Kindertagesheim dem österreichischen Staat Geld und den meisten Lehrern viel Ärger erspart, den sie meistens mit den Migrantenkindern auf Grund fehlender Deutschkenntnisse und schlechtem Benehmen in Kauf nehmen müssen.

Das Integrative Bildungs- und Informationszentrum in der Siccardsburggasse besitzt eine umfassende Bibliothek islamischer Fachliteratur und Wörterbücher. Den Gläubigen steht außerdem ein Gebetsraum zur Verfügung. Suchende in Glaubensfragen sind herzlich willkommen und haben die Möglichkeit eine qualifizierte Einführung in die oft falsch verstandene Kultur zu erlangen. Die Abhaltung von Seminaren steht ebenso auf dem Programm wie die Herausgabe des Vereinsmagazins "IQRA", das alle vier Monate erscheint und im Internet unter http://www.ibiz.anew.at gelesen werden kann

Informationen:

"IBIZ" - Integratives Bildungs- und Informationszentrum

Siccardsburggasse 21,

A-1100 Wien

Tel: 01/607 12 14/41

E-Mail: IBIZ@gmx.at