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Laut Abschlussbericht wurde die Boeing von einer Buk-Rakete abgeschossen. Wer schuld ist, bleibt offen.
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Amsterdam/Kiew. Es ist nicht ganz zwei Monate her, da waren die Niederlande überall ins Gelb der Sonnenblumen getaucht. In Amsterdam wurde in einem Museum ein ganzer Saal mit Sonnenblumen gefüllt, vor der Kaserne in Hilversum, wo die sterblichen Überreste der Opfer identifiziert wurden, standen große Kübel mit den Blumen. Auch zur Gedenkfeier in Nieuwegein bei Utrecht brachten die Angehörigen dicke gelbe Sträuße mit, die an das riesige Sonnenblumenfeld in der umkämpften Ostukraine erinnern sollten, auf das die Malaysia-Airlines-Maschine mit der Flugnummer MH17 abgestürzt ist. Bei der Katastrophe am 17. Juli 2014 starben 298 Menschen, die meisten von ihnen waren Niederländer.
Unter anderen Umständen wäre die Gedenkfeier zum ersten Jahrestag vielleicht die Gelegenheit gewesen, zumindest ein Stück weit mit dem tragischen Vorfall abzuschließen. Doch dafür hätte es statt der unerträglichen Ungewissheit Antworten geben müssen, vor allem auf die Frage, wer für den Absturz von MH17 verantwortlich ist. Als sich die Hinterbliebenen zum Gedenken versammelten, galt lediglich als gesichert, dass die Boeing 777 von einer Rakete abgeschossen wurde. Der Rest waren gegenseitige Schuldzuweisungen von russischer und ukrainischer Seite, angereichert von den sich oft selbst widersprechenden Aussagen der vom Westen verdächtigten prorussischen Rebellen.
Dementsprechend große Hoffnungen hatten die Angehörigen der Todesopfer auch in den Abschlussbericht der niederländischen Untersuchungskommission gesetzt, der an diesem Dienstag veröffentlicht wurde. Über ein Jahr lange hatte das von internationalen Spezialisten verstärkte Ermittlerteam daran gearbeitet, den Absturz zu rekonstruieren. In einer Halle auf der Luftwaffenbasis Gilze Rijen wurden die vorhandenen Überreste der Maschine so gut wie möglich wieder zusammengesetzt, wochenlang wurde auch an der unmittelbaren Absturzstelle nach Spuren gesucht.
Auf beiden Seiten im Einsatz?
Dass auch mit dem Abschlussbericht Fragen offen bleiben, war von vornherein klar gewesen, denn die Ermittler hatten nicht den Auftrag die Schuldfrage zu klären. Doch zumindest ist nun klar, dass Flug MH17 von einer Boden-Luftrakete des Typs Buk getroffen wurden, ein Waffensystem, das noch in der Sowjetunion entwickelt worden war. Laut der Untersuchungskommission schlugen Teile der Rakete auf der linken Seite des Cockpits ein, wodurch die Boeing zum Absturz gebracht wurde. Jene Passagiere, die nicht unmittelbar durch die Rakete getötet wurden, sollen durch den Druckabfall in der Kabine binnen weniger Augenblicke das Bewusstsein verloren haben.
Unerwähnt bleibt im Abschlussbericht hingegen, von wo aus die Rakete abgefeuert wurde. Erst in einem später aufgezeichneten Fernsehinterview räumte der Vorsitzende des niederländischen Sicherheitsrates Tjibbe Joustra ein, dass der Abschussort in einem von den Rebellen kontrollierten Gebiet lag.
Bereits unmittelbar nach dem Abschuss von Flug MH17 hatten westliche Länder wie die USA Moskau vorgeworfen, den Separatisten in der Ostukraine die Raketen zumindest geliefert zu haben. Allerdings verfügt auch die Ukraine aufgrund ihrer Sowjet-Vergangenheit noch über zahlreiche Buk-Raktensysteme, laut dem Londoner Internationalen Institut für Strategische Studien waren 2014 noch mehr als 60 Systeme des überarbeiteten Typs M1 im Bestand.
Russland bestreitet eine Lieferung an die Rebellen bis heute. Für den russischen Vizeaußenminister Sergej Rjbakow ist selbst der Abschlussbericht der niederländischen Ermittler gefärbt und das Ergebnis politischer Einflussnahme. Zweifel an der niederländischen Version hat auch der russischen Hersteller der Buk-Raketen geäußert. Laut der staatlich kontrollierten Firma Almaz Antey hat es sich bei der zum Einsatz gekommenen Rakete um einen älteren Typ gehandelt, der vom russischen Militär nicht mehr verwendet wird.
Der Abschlussbericht scheint also zumindest in noch einer Sache Klarheit geschaffen zu haben. Bei den strafrechtlichen Ermittlungen, die bis Jahresende auch die Schuldfrage klären sollen, wird er sehr schwer werden, die russische Seite zur umfassenden Kooperation zu bewegen.
Doch die Beteiligung Russlands an der ebenfalls unter niederländischer Leitung stehenden Untersuchung ist entscheidend. Denn nur so gibt es eine Chance, dass die Täter schlußendlich auch vor ein Gericht gestellt werden können. Die Niederlande und auch Malaysia plädieren für die Einrichtung eines UN-Tribunals, nach dem Vorbild des UN-Kriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien. Doch dazu muss es eine Resolution des Sicherheitsrates geben. Und dort ist Russland Vetomacht.