)
Trotz des drastischen Weckrufs werden keine großen Durchbrüche erwartet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Warschau. Zwischen Warschau und Tacloban liegen knapp 10.000 Kilometer und unter normalen Umständen gebe es kaum Berührungspunkte zwischen der polnischen Hauptstadt und der 200.000-Einwohner-Stadt auf den Philippinen. Doch seitdem der Taifun "Haiyan", der stärkste jemals verzeichnete Wirbelsturm, eine Schneise der Verwüstung durch Tacloban und die umliegende Region gezogen hat und mehr als 10.000 Menschen in den Tod riss, könnten die beiden Orten nicht näher beieinander liegen.
Seit Jahren warnen die Klimaforscher davor, dass Wirbelstürme in Folge der Erderwärmung zwar nicht unbedingt häufiger auftreten, aber über deutlich mehr Kraft und zerstörerisches Potenzial verfügen werden. Doch selten schienen die Probleme unmittelbarer und näher an die Gegenwart herangerückt als bei der 19. Weltklimakonferenz in Warschau, die am Montag nur drei Tage nach dem Landfall von "Haiyan" eröffnet wurde. Naderev Sano, einer der philippinischen Delegierten, musste sogar mit den Tränen kämpfen, als er in der polnischen Hauptstadt über das Elend berichtete, das der gigantische Taifun seiner Heimat beschert hat. Dieser Wahnsinn müsse gestoppt werden, appellierte Sano während einer überaus emotionalen Rede an die knapp 10.000 Konferenzteilnehmer.
Gelähmte Klimapolitik
Doch weder die Katastrophe auf den Philippinen noch der vor kurzem veröffentlichte Sachstandsbericht des Weltklimarats IPPC, der für den schlimmsten Fall eine Erwärmung um knapp fünf Grad bis 2100 prognostiziert, dürften in Warschau den großen Wurf befördern. "Wir werden wohl ähnliche Enttäuschungen erleben, wie wir sie seit 2009 bei den Klimakonferenzen immer wieder gesehen haben", sagt der renommierte österreichische Klimaexperte Stefan Schleicher gegenüber der "Wiener Zeitung". "Es ist sehr, sehr schwer geworden ein wirksames Klimaabkommen zustande zu bringen."
Seit dem Scheitern des mit großen Erwartungen verbundenen Klimagipfels in Kopenhagen vor vier Jahren steckt die internationale Klimapolitik in der Sackgasse fest. Die EU, die jahrelang als Vorreiter für ein globales Abkommen mit verbindlichen CO2-Reduktionszielen galt, hat ihre Ambitionen zwar noch nicht aufgegeben, doch die Europäer waren zuletzt vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Wirtschafts- und Schuldenkrise standen auf der Prioritätenliste deutlich weiter oben als Emissionseinsparungen. Und von den USA ist ebenso wenig Bewegung wie von China zu erwarten. Während die innenpolitisch gelähmten Amerikaner einem Klimaabkommen seit Jahren wegen der Sorge vor negativen Auswirkungen auf ihre Wirtschaft skeptisch gegenüberstehen, pocht die Volksrepublik - ähnlich wie andere große Schwellenländer - auf ihr Recht auf Entwicklung und sieht vor allem den reichen Westen als historisch größten Treibhausgasemittenten in der Pflicht.

Das Kyoto-Protokoll, für das bei der letzten Klimakonferenz in Katar eine zweite Verpflichtungsperiode ausgehandelt wurde, illustriert dieses Dilemma. Am ersten und einzigen verbindlichen Klimaabkommen sind außer den EU-Staaten nur noch Australien und einige kleinere europäische Länder beteiligt.
Vom Gipfel in Warschau, auf dessen offizieller Agenda die inhaltliche Vorbereitung eines 2015 zu beschließenden und 2020 in Kraft tretenden Klimavertrags steht, erwartet Schleicher daher nicht allzu viel Konkretes. "Es wird vor allem Absichtserklärungen geben, aber keine für alle verbindlichen Vertragselemente, wie sie das Kyoto-Protokoll enthalten hat." Wenig Hoffnung auf ein "Wunder von Warschau" hegen die in die polnischen Hauptstadt gereisten Klimaaktivisten aber auch angesichts der bisherigen Bemühungen des Gastgeberlandes in Sachen Erderwärmung. Polen gilt in dieser Hinsicht nicht nur als wenig ehrgeizig, viele Umweltschützer fürchten sogar, dass der polnische Konferenzvorsitz eher danach trachtet, eine Einigung zu erschweren. So hat der polnische Umweltminister Marcin Korolec wiederholt öffentlich erklärt, er werde seine Einfluss geltend machen, um höhere Emissionsreduktionsziele zu verhindern. Dass Polen, das während des Klimagipfels auch als Gastgeber für eine Konferenz der Kohleindustrie fungiert, sich mit dem Klimaschutz äußerst schwer tut, war auch schon vergangene Woche zu beobachten gewesen. Als sich die EU vergangene Woche auf eine Reform des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten einigte, um die Investitionen in moderne Filteranlagen zu fördern, stimmte neben Zypern nur Polen gegen die Verschärfung.