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Ein knallharter Nationalist und feinsinniger Poet in Personalunion

Von Rainer Mayerhofer

Politik

"in frohgemuten türkisch schimpften wir/ wurden gar todfeinde / doch eine liebe blieb in uns/ verborgen für friedenstage". Als Bülent Ecevit, der gestern seinen 75. Geburtstag feierte, 1947 in London, wo er im Büro des türkischen Presseattachés arbeitete, diese Verse in seinem "Türkisch-Griechischen Gedicht" schrieb, ahnte er wohl nicht, dass diese Friedenstage noch sehr fern sein würden und dass er selbst als türkischer Premier mit dem Einmarsch seiner Truppe in Nordzypern zu einer bis heute ungelösten Krise zwischen den beiden Ländern beitragen würde.


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Ein knallharter Nationalist und ein feinsinniger Poet sei er, bescheinigen ihm Beobachter. Am 28. Mai 1925 in Istanbul als Sohn eines Medizinprofessors, der Staatsgründer Kemal Atatürk nahestand, und einer Kunstlehrerin geboren, studierte er Literatur in seiner Heimatstadt und in Ankara und arbeitete in der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der türkischen Regierung. 1946 bis 1950 lebte er in London, wo er nebenbei Kunstgeschichte und Sanskrit studierte, 1957/58 vollendete er seine Studien an der Harvard-Universität.

Seit 1950 Mitglied der Republikanischen Volkspartei (CHP), arbeitete er gleichzeitig als Kunstkritiker, Übersetzer (u.a. Tagore, Eliot und Pound), Journalist und Herausgeber des CHP-Organs "Ulus". Von 1957 bis 1960 vertrat er seine Partei erstmals im Parlament, von 1961 bis 1965 war er Arbeitsminister, von 1966 bis 1971 Generalsekretär der CHP. 1972 setzte er sich an die Spitze der Partei, und verordnete ihr einen sozialdemokratischen Kurs "links von der Mitte". Als die CHP bei den Wahlen vom 14. Oktober 1973 stärkste Fraktion wurde, bildete er im Jänner 1974 mit der Nationalen Heilspartei unter Erbakan eine Koalition und beteiligte damit erstmals in der türkischen Geschichte eine islamische fundamentalistische Gruppe an der Regierung.

In seine erste Amtszeit als Ministerpräsident fiel die Zypernkrise im Juli 1974, die ihm in der Türkei grosse Popularität einbrachte. Im September trat er zurück und wollte Neuwahlen erreichen. Nach mehrmonatiger Regierungskrise folgte ihm sein langjähriger Gegenspieler Suleyman Demirel als Regierungschef. Erst 1978 wurde Ecevit wieder dessen Nachfolger, um 1979 wieder Demirel Platz zu machen. Nach dem Militärputsch im September 1980 erhielten Sowohl Demirel als auch Ecevit ein zehnjähriges politisches Betätigungsverbot, Mitte der 80er-Jahre betrieb Ecevit die Gründung der Partei der demokratischen Linken, deren Führung zeitweise seine Frau Rahsan übernahm, mit der er seit 1946 verheiratet ist. Wie schon nach dem Putsch wurde Ecevit 1987 deshalb neuerlich inhaftiert. 1997 wurde Ecevit Vizepremier unter Mesut Yilmaz, Seit dessen Sturz führte er ein Übergangskabinett bis zu den Wahlen am 18. März 1999. Die ein Monat zuvor erfolgte Verhaftung von Kurdenführer Öcalan bescherte Ecevits nach rechts abgedrifteter Partei eine Verdreifachung ihrer Sitze. Ecevit führt seit 9. Juni 199 eine Regierung , der außer seiner Partei noch die linksnationalistische DSP und die rechtsextreme Partei der nationalen Bewegung angehören.