Zum Hauptinhalt springen

Ein Knicks vor dem Folterknecht

Von Christian Ortner

Kommentare

Dass Österreichs Bundesheer bekanntlich noch 2009 eigens eine Militärmusikkapelle nach Tripolis einflog, um Libyens Diktator Muammar Gaddafi ein Huldigungsständchen darzubringen, gilt heute nicht mehr wirklich als Gipfel staatsmännischen Weitblicks.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und dieser Tage reiste ausgerechnet die Generaldirektorin der ehrwürdigen Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, von der hiesigen Öffentlichkeit eher unbeachtet, in den Iran und traf dort hochoffiziell Said Mohammad Hosseini, Irans "Minister für Kultur und islamische Rechtleitung" (das bedeutet "die Führung des muslimischen Gemeinwesens nach Maßgabe des von Allah durch die Offenbarung kundgegebenen Gesetzeswillens"). Der Mann ist eine wichtigere Figur in der Regierung von Mahmoud Ahmadinejad. Er formuliert unter anderem jene Leitlinien und Vorgaben, nach denen die berüchtigten staatlichen Tugendwächter auf die Bevölkerung einprügeln, wenn diese vermeintlich unislamische Rocklängen oder gar unerwünschte politische Meinungen offenbart.

Für Rachinger mag es vielleicht wirklich nur um die Intensivierung des Folianten-Austausches zwischen dem Iran und Österreich gegangen sein (das Verhältnis von Kultur zu Diktatur ist, gerade im deutschen Kulturkreis, voll von derartigen Verdrängungsleistungen.) Die Iraner freilich scheinen den offiziellen Besuch etwas anders gesehen zu haben: Hosseini gab seinem Gast in seiner Ansprache den Rat mit, Österreich möge doch bitte gefälligst "eine realistische Politik" verfolgen und die EU-Sanktionen nicht mittragen. Dass ihm jemand aus der österreichischen Delegation widersprochen hätte, ist nicht überliefert. Irans staatliche Medien berichteten ausführlich, durchaus ein kleiner Propagandaerfolg für das islamofaschistische Regime also, und ein Tritt für dessen zahlreiche Opfer.

Das größere Problem dabei ist Österreichs offenkundige Unfähigkeit, selbst angesichts der mehr als peinlichen Verrenkungen im Umgang mit den arabischen Diktatoren irgendwelche Lehren zu ziehen. Und zum Beispiel einfach grundsätzlich darauf zu verzichten, dass eine international so renommierte staatliche Institution wie die Nationalbibliothek einem Verbrecherregime einen kleinen Reputierlichkeitszuwachs verschafft.

Niemand wird von Österreichs Außenpolitik verlangen können, ausschließlich nach moralischen Kriterien zu agieren; nationale wirtschaftliche und politische Interessen zu vertreten, ist legitim und erfordert oft, mit eher unguten Leuten bei Tisch zu sitzen.

Nur erzeugt Österreich seit geraumer Zeit nachhaltig den Eindruck, für ein paar Millionen zusätzlichen Umsatz jedes - und wirklich jedes - Prinzip des minimalen Anstandes zu verkaufen. Kurzfristig mag das ja vielleicht ein bisschen Geschäft bringen. Langfristig freilich werden sich die Opfer der wankenden Diktaturen von Libyen bis Iran ganz gut daran erinnern, wer ihre Freunde waren - und wer ihren Peinigern eilfertig zu Diensten war.