Die Landeshauptleute und der Bund einigten sich auf den Ausgleich für den abgeschafften Pflegeregress.
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Wien. Gut eine Stunde länger als geplant wurde im Wiener Rathaus verhandelt. Dann aber hatte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der am Freitag das letzte Mal als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz mit dabei war, gemeinsam mit seinen Kollegen, den Landeshauptmännern Markus Wallner (ÖVP) aus Vorarlberg und Hans Niessl (SPÖ) aus dem Burgenland einen Kompromiss mit Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zu verkünden.
Es gibt keine 100 Millionen Euro, wie vom Bund im vergangenen Jahr vorgeschlagen. Es sind auch nicht die 470 Millionen Euro, wie zuletzt von den Ländern eingemeldet. Der Bund wird den Bundesländern den Einnahmenentfall, der durch das Abschaffen des Pflegeregresses entsteht, mit bis zu 340 Millionen Euro 2018 abgelten. Es ist ein Ergebnis, bei dem Löger "weder Gewinner noch Verlierer" sieht. Es ist eines, für das man laut Häupl die Stunde Diskussionsverlängerung gebraucht habe.
Wallner aber konkretisiert, dass es keinen teilweisen Verzicht der Bundesländer bedeute, sondern manche auch alternative Wohnformen und nicht nur Mehrkosten in der stationären Pflege einberechnet hätten. Wallner resümiert deshalb stellvertretend für die Landeshauptleute: "Es ist ein sehr faires Angebot, das hier auf den Tisch gelegt wurde, das gut für beide Seiten ist."
Ende 2018 wird abgerechnet - und neuberechnet
Konkret besteht das Bundesangebot aus insgesamt 116 Millionen Euro für alle Bundesländer gemeinsam als Ausgleich für den direkten Einnahmenentfall, und weiteren 15 Millionen Euro für die Behindertenhilfe. Dazu könnten bis zu 209 Millionen Euro kommen, die die Bundesländer durch die geringere Anzahl an Selbstzahlern von Pflegeheimplätzen einnehmen.
Bis zu, weil: "Abgerechnet werden die tatsächlichen Kosten", erklärt Häupl. Seien diese weniger hoch, gebe es weniger Geld als Ausgleich. Seien sie höher, bedeute das allerdings nicht mehr, sondern Nachverhandlungen, denn: "An und für sich ist das eine Höchstgrenze", sagt Häupl.
Es ist ein Maximalwert, der, um die tatsächliche Abrechnung korrigiert, die Basis für eine Lösung in den kommenden Jahren bilden soll. Es sei eine Lösung, "von der die Pfleglinge am meisten profitieren", so Wallner. Denn: "Die ältere Generation hat es nicht verdient, dass über sie nur als Kostenfaktor diskutiert wird."
24-Stunden- und mobile Pflege als nächste Baustelle
Die angesprochene Generation wünscht es sich aber häufig, so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden. Neben den Finanzierungslöchern bei den Bundesländern hat die Abschaffung des Pflegeregresses allerdings genau für das Gegenteil Anreize geschaffen: Sie stärkt den stationären Bereich.
Denn ohne Regressforderung müssen Pflegebedürftige nur mit dem Pflegegeld zu 100 Prozent und 80 Prozent ihres Einkommens für die Kosten eines Pflegeheimplatzes aufkommen. Optieren sie nun in die Mindestsicherung, bezahlt den Rest die Allgemeinheit - egal, ob der Pflegebedürftige oder dessen Angehörige Vermögen haben oder nicht.
Anders ist es bei der mobilen Pflege oder der 24-Stunden-Betreuung zuhause. Hier gibt es zwar auch Förderungen und das Pflegegeld als staatliche Unterstützung. Eventuelle Mehrkosten aber haben die Pflegebedürftigen selbst zu tragen. Und wenn das Einkommen nicht reicht, muss das Geld eben vom Sparbuch kommen - also bis zu 100 Prozent möglicher Regress versus null bei Pflegeheimkosten.
Der Problematik sind sich beide Seiten, Bund wie Bundesländer bewusst. Der Finanzminister sprach folglich vom Regress-Kompromiss als "Symptombehandlung": "Die Wurzelbehandlung wurde vertagt." Auch Landeshauptmann Niessl meinte, dass es Maßnahmen brauche, damit die Leute trotz Pflegebedarf länger in den eigenen vier Wänden bleiben können und man die Frage beantworten müsse, wie die Qualität der Pflege und Betreuung zuhause genauso wie in Heimen sichergestellt werden könne. "Im Pflegebereich wird am Menschen gearbeitet, da ist Qualität gefragt", sagt Niessl und denkt laut über weiteres Geld, dass er sich dafür vom Bund wünscht, nach. Man müsse bestehende Förderungen "stützen und neue schaffen".
Die Diskussion darüber, wofür genau, an welchen Best-Practice-Modellen man sich dabei orientieren und wie man solche finanzieren will, müsse aber erst geführt werden. Bei dieser Landeshauptleutekonferenz wurde sie allerdings auf einen späteren Zeitpunkt vertagt - übrigens genauso wie die Debatte über das Abschaffen der Notstandshilfe und einer Vereinheitlichung der Mindestsicherungsmodelle in allen Bundesländern.
Arbeitskreise zur Kompetenzneuaufteilung
Debattiert wurden dagegen über die ORF-Landesstudios und auch darüber, was die Bundesländer während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs beitragen. Und beim Thema Kompetenz-Bereinigung konnten die Landeshauptleute mit einem anderen Regierungsvertreter, Justizminister Josef Moser (ÖVP), der auch für die Verwaltungsreform zuständig ist, eine Einigung erzielen. Der Verfassungsartikel 12 wird abgeschafft. Darin ist verankert, dass die "Gesetzgebung über die Grundsätze" Bundessache ist, und "Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen", also für ein und die selbe Materie sowohl Bund als auch Länder zuständig sind.
Moser sprach von einem "großen Reformschritt". Allerdings wurde für die Verhandlung von drei Themen eine mit je vier Länder- und Bundesvertretern paritätisch besetzte Arbeitsgruppe eingerichtet: Diese befasst sich mit dem laut Wallner "nicht so schwierig" zu verhandelnden Thema Elektrizitätswesen, also Überlandstromleitungen; mit Spitälern, wo Einigungen "durchaus möglich sind", aber auch mit dem sogenannten "Armenwesen", im Wesentlichen die Mindestsicherung.
Und das ist bekanntermaßen eine Materie, in der bislang weder die Bundesländer untereinander eine Einigung erzielen konnten und sich außerdem schon die Vorgängerregierungen die Zähne ausgebissen haben.