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Nepals konstitutionelle Monarchie ist nach 13 Jahren in einer tiefen Krise. Der machtbewusste König Gyanendra steht mit dem Rücken zur Wand - ihm gegenüber die bewaffneten maoistischen Rebellen, die für eine neue Verfassung kämpfen, und die demonstrierenden Anhänger der letztes Jahr von ihm entmachteten Parteien, die eine Machtübernahme des Königs fürchten.
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Das Königreich am Dach der Welt steht vor dem Abgrund. Nachdem die Rebellen von der Kommunistischen Partei Nepals-Maoisten (CPN-M) am 27. August das Ende der seit Jänner bestandenen Waffenruhe verkündeten, ist der Bürgerkrieg neu entflammt. Bei den Gefechten mit der Royal Nepalese Army gab es seither hunderte Tote. König Gyanendra und die von ihm ernannte Regierung haben alle Hände voll zu tun. Nicht nur die bewaffneten Maoisten, sondern auch die Protagonisten der demokratisch legitimierten Parteien des ruhenden Parlaments mobilisieren ihre Anhänger gegen die autoritäre Politik ihres Monarchen.
Das 1990 gegen vorerst heftigen Widerstand des vorigen Königs Birendra eingeführte parlamentarische System hat sich in Nepal bisher nicht wirklich bewährt. Der amtierende Premier Surya Bahadur Thapa ist der 14. Regierungschef in 13 Jahren. Die Schwächung der politischen Parteien durch hartnäckige Grabenkämpfe - die größten sind der Nepali Congress (NC) und die Kommunistische Partei Nepals-Vereinigte Marxisten Leninisten (CPN-UML) - und schließlich die Entmachtung des Parlaments durch König Gyanendra im Mai 2002 und die Aufschiebung der für letzten November geplanten Wahlen auf unbestimmte Zeit erschütterten das demokratische Experiment Nepals in ihren Grundfesten. Thapa "regiert" von Gyanendras Gnaden mit königlich bestimmten Protagonisten der Kleinstpartei RPP (13 von 205 Parlamentssitzen).
Aufstand der Maoisten
Die Maoisten unter ihrem Chefideologen Baburam Bhattarai und ihrem Vorsitzenden Pushpa Dahal, alias Prachanda, wollen die fehlende Reformbereitschaft des Königs und die Mangelhaftigkeit des nepalesischen Parlaments längst gekannt haben. Schon 1995 spalteten sie sich von der CPN-UML ab und riefen 1996 den "Volkskrieg" aus. Ihr 40 Punkte umfassender Forderungskatalog beinhaltet eine tief greifende Landreform zugunsten der bitterarmen Bauern, eine Aufhebung der Diskriminierung der Kastenlosen und der Frauen (sie stellen rund ein Drittel der Rebellenbewegung), eine Gleichstellung aller in Nepal gängigen Sprachen, eine weltliche Staatsordnung im bislang einzigen Hindustaat der Welt und die Aufhebung der königlichen Privilegien.
Während der Waffenruhe vom 29. Jänner erzielte die CPN-M durchaus Verhandlungserfolge. So wurde im März mit den Regierungsverhandlern ein Verhaltenskodex mit gegenseitigen Zugeständnissen zur Aufrechterhaltung der Waffenruhe vereinbart. Nur das von den Rebellen geforderte Allparteien-Treffen zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung kam nie zustande.
Das Parlament macht mobil
Der König hoffte zwar auf eine Teilnahme von Vertretern der Oppostionsparteien an den Friedensgesprächen, aber anstatt einzulenken machten die fünf größten Parteien - aus Angst, in die politische Bedeutungslosigkeit abzurutschen - gegen den König mobil. Mit Massendemonstrationen der "Vereinten Volksbewegung gegen die Machtübernahme des Königs" prangerten sie die mangelnde demokratische Legitimation der Regierung an.
Im Mai entließ der König schließlich "zugunsten der nationalen Versöhnung" den Premier Lokendra Bahanda Chand. Die wichtigsten Parteien wünschten sich Madhav Nepal, den Chef der CPN-UML, als neuen Premier. Doch Gyanendra ernannte den königstreuen Thapa zum neuen Regierungschef. Dieser hielt sich dann auch nur noch peripher an von Chand per Handschlag vereinbarte Zusagen an die Maoisten, wie die Einschränkung der Armeebewegungen.
Armee stützt den König
Die Royal Nepalese Army hat schon mehrfach verkündet, sie werde, "wenn notwendig, die Verantwortung für die nationale Sicherheit wahrnehmen" - auch gegen Politiker, die "die Autorität des Landes untergraben." Seit der Bürgerkrieg im Windschatten der Anschläge vom 11. September 2001 zu einem Teil des weltweiten "Kriegs gegen den Terror" erklärt wurde, stärken Geld, Waffen und Militärberater aus den USA der Regierungsarmee den Rücken. Und diese Armee bleibt auch die einzige Stütze für den König und seine Regierung. Die Maoisten erhalten indes weiter ungebremsten Zulauf aus der mittellosen Landbevölkerung.