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Ein Konservativer wird Macrons Premier

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Mit der Ernennung von Édouard Philippe sendet der neue Präsident ein Signal an das Mitte-Rechts-Lager. Beide Männer haben viel gemein.


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Paris. Er gehört nicht der Präsidentenpartei "La République en marche" an, zählt zum Umfeld des konservativen Ex-Premiers Alain Juppé - leitet aber künftig Frankreichs Regierungsgeschäfte: Édouard Philippe. Staatschef Emmanuel Macron ernannte den moderaten 46-Jährigen am Montag zu seinem Premierminister.

Der breiten Öffentlichkeit war der bisherige Bürgermeister der normannischen Hafenstadt Le Havre und Abgeordnete in der Nationalversammlung kaum bekannt. Vor der Kandidatenkür der Republikaner fungierte Philippe als Sprecher Juppés, der François Fillon unterlag. Infolge der Vorwürfe wegen Scheinbeschäftigung gegen Fillon distanzierte sich Philippe von ihm und näherte sich Macron an. In Paris wurde er zuletzt bereits als Favorit für den Schlüsselposten gehandelt.

Dem erst am Sonntag feierlich zum Präsidenten gekürten Präsidenten gelang mit dieser Entscheidung ein Coup: Indem er einen Politiker der Republikaner in die Regierungsverantwortung holt, könnte er diese für Allianzen bei den Parlamentswahlen im Juni locken. Macron erhöht damit seine Chancen, eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu gewinnen. Auch macht er sein Versprechen wahr, parteiübergreifend zu regieren - im Kabinett, das heute, Dienstag, vorgestellt wird, dürften sich auch Sozialisten finden.

Wie der Präsident selbst steht Philippe für eine jüngere, unverbrauchte Generation von Politikern, die aus der üblichen Links-Rechts-Konfrontation ausbrechen wollen. Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Homo-Ehe gehörte er zu den wenigen konservativen Abgeordneten, die gegen die eigene Parteilinie dafür stimmten.

Während seines Studiums an der Elitehochschule Sciences Po trat er für zwei Jahre den Sozialisten bei und unterstützte den damaligen Premier Michel Rocard. Als Vordenker einer reformerischen, ja sozialdemokratischen Linken beeinflusste Rocard auch Macron maßgeblich. Später näherte sich Philippe den Konservativen an, engagierte sich ab 2001 in der Lokalpolitik in Le Havre und beteiligte sich 2002 an der Neugründung der rechtsbürgerlichen UMP an der Seite Juppés.

Wie Macron absolvierte sein Premier nach Sciences Po die Kaderschmiede ENA und sammelte Erfahrungen in der Privatwirtschaft - das ist in Frankreich eher unüblich. Philippe arbeitete zunächst in einer US-Anwaltskanzlei, wechselte später in die Kommunikationsabteilung des Energiekonzerns Areva, bevor er sich als Bürgermeister von Le Havre nur noch der Politik widmete. Die Stadt in der Normandie gilt als dynamisches Regionalzentrum. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Philippe dort, geboren ist er - wie Ex-Präsident François Hollande - in Rouen.

Sein Abitur absolvierte er in Bonn, wo sein Vater ein französisches Gymnasium leitete. Diese Erfahrung hat den späteren Verfechter eines gemeinsamen Europas geprägt. "Die EU ist die einzige glaubwürdige Art, zu verhindern, dass sich die Europäer gegenseitig umbringen", sagte er einmal. "Und es ist das einzige Mittel, im Weltgeschehen etwas zu wiegen."

Die Politik lässt ihn auch in seiner Freizeit nicht los. Der Sohn eines Französischlehrer-Paares, der sich - eine weitere Gemeinsamkeit mit Macron - als Literaturliebhaber bezeichnet, schrieb mit einem Parteikollegen Politromane. Zudem betreibt Philippe regelmäßig Boxsport: "Ich stecke Schläge ein, ich teile auch aus. Boxen ist ein Sport, der einen demütig macht."