Vizepräsidentin der EU-Kommission schmettert Kritik von US-Unternehmen ab.
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"Wiener Zeitung":Der Datenschutz, über den in der kommenden Woche die EU-Minister beraten, ist derzeit ein umfehdetes Feld. Das Parlament debattiert darüber; US-Lobbyisten, Industrie- und Wirtschaftsverbände versuchen, auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Vorschläge verwässert werden?Viviane Reding: Keine allzu großen. Es liegt in der Natur von Verhandlungen, dass zunächst einmal Maximalpositionen auf den Tisch gelegt werden. Danach wird darüber gesprochen. Wir wollen das etwa bis April des kommenden Jahres abschließen, bevor die Kampagne für die Wahl zum EU-Parlament beginnt. Ich glaube, dass am Ende ein guter Gesetzestext dabei herauskommt.
Gegen den Firmen wie Google oder Facebook schon jetzt wettern . . .
Für mich ist es undenkbar, US-Unternehmen von der EU-Datenschutz-Verordnung auszunehmen. Mein Vorschlag sieht vor, dass alle Unternehmen, die unsere Goldgrube, den europäischen Binnenmarkt mit seinen potenziellen 500 Millionen Kunden nutzen wollen, sich an die europäischen Spielregeln halten müssen. Diese sollen vereinheitlicht werden. Bisher gibt es 27 nationale Bestimmungen, die einander teilweise widersprechen und das Ausmaß des Datenschutzes unterschiedlich festlegen. Künftig soll jedoch gelten: ein Kontinent, eine Regelung. Allein durch diese Vereinfachung würden sich die Unternehmen in der EU jährlich 2,3 Milliarden Euro sparen.
Befürchten die Betriebe nicht ebenso einen Mehraufwand?
Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 250 Beschäftigten sind von einigen Regelungen der Verordnung bereits ausgenommen. Sie brauchen zum Beispiel keinen eigenen Datenschutz-Beauftragten. Gleichzeitig wird zwischen den Unternehmen unterschieden: Ein Bäckereibetrieb wird logischerweise andere Auflagen zu erfüllen haben als ein Unternehmen, das Gesundheitsdaten verarbeitet. Und generell müssen, wenn wir einen Binnenmarkt haben, auch die Daten von Bürgern grenzüberschreitend geschützt werden. Die Daten gehören dem Bürger - das muss gewährleistet sein. Das Datenschutzrecht muss ans digitale Zeitalter angepasst werden, denn 1995 steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, und der Facebook-Gründer war elf Jahre alt.
Was soll sich für die Facebook-Nutzer von heute ändern?
Sie sollen das Recht auf Vergessenwerden besser durchsetzen können. Wenn jemand seine Daten gelöscht haben will, dann soll das möglich sein. Das erste Unternehmen, das diese Angaben gespeichert hat, ist dann unter bestimmten Bedingungen dazu verpflichtet. Und wenn es die Daten an andere Firmen weitergegeben hat, dann muss es diese informieren, dass der Nutzer seine Daten gelöscht haben will.
Wer kann kontrollieren, ob sich Firmen an diese Vorgaben halten?
Die nationalen Datenschutzbeauftragten. Wir haben bewusst keine europäische Super-Datenschutz-Behörde vorgeschlagen, weil die Behörden in den Ländern die Umgebung, die Bürger und Unternehmen besser kennen.
Der Wiener Student, der Facebook wegen Mängel beim Datenschutz verklagt hat, könnte also seine Beschwerde in Österreich einbringen und müsste nicht nach Dublin gehen, wo der Konzern seinen europäischen Sitz hat?
Die Pläne sehen vor, dass ein Österreicher sich an seine Datenschutz-Behörde wenden kann. Die arbeitet dann mit der Behörde jenes Landes zusammen, in der die Firma ihren Sitz hat. Gemeinsam suchen sie nach einer Lösung. Falls der Betroffene nicht zufrieden ist, kann er ebenfalls in seinem Land vor Gericht ziehen.
Ein anderer Vorschlag von Ihnen wird ebenfalls derzeit im EU-Parlament diskutiert: die Einführung einer Frauenquote von 40 Prozent bei börsennotierten Unternehmen. Welche Hürden sehen Sie da noch?
Auch das liegt nun in den Händen der Gesetzgeber. Es wird wohl noch zu heftigen Diskussionen kommen. Das Parlament hätte sich vielleicht noch weiter reichende Vorgaben gewünscht. Unter den Mitgliedstaaten hingegen sind die Meinungen geteilt. Die einen unterstützen den Vorschlag, die anderen lehnen ihn ab, wieder andere liegen in der Mitte.
Drohen den Betrieben Sanktionen, wenn sie die Quote nicht erfüllen?
Nein, der Weg dorthin wird sanktioniert. Es ist keine starre, sondern eine Verfahrens-Quote: Wenn die Unternehmen die 40-Prozent-Zielmarke nicht erfüllen, müssen sie in einem transparenten Verfahren bei gleicher Qualifikation der Bewerber dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang geben. Mein Slogan ist: Keine Frau wird Mitglied eines Aufsichtsrates, bloß weil sie eine Frau ist. Aber nur weil sie eine Frau ist, soll ihr umgekehrt auch nicht die Mitgliedschaft verwehrt bleiben.
Viviane Reding ist Vizepräsidentin der EU-Kommission und dort für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständig. Bevor die aus Luxemburg stammende Christdemokratin 1999 zur Brüsseler Behörde wechselte, war sie zehn Jahre lang Mitglied des EU-Parlaments.
Die von der EU-Kommission im Jänner 2012 vorgeschlagene Datenschutzreform will, dass EU-Bürger vollständige Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten haben - von der Löschung über die Mitnahme zu neuen Online-Dienstleistern. Die Genehmigung zur Datenverarbeitung muss ausdrücklich erfolgen und darf nicht stillschweigend vorausgesetzt werden.