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Abdullah-Zentrum will Ultimatum Faymanns ignorieren - keine Distanzierung von Menschenrechtsverletzungen in Riad.
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Wien. Es ist Dienstagmorgen, kurz nach 9 Uhr. Die Flaggen am noblen Innenstadtpalais Sturany am Schottenring, das Saudi-Arabien gehört und das umstrittene Abdullah-Dialog-Zentrum (Kaiciid) beheimatet, sind abmontiert worden und sollen nach einer Reinigung neu aufgestellt werden, wie übrigens auch das Institut selbst nach den Kontroversen der vergangenen Tage. Die Sicherheitsmaßnahmen sind enorm. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Menschen, die anklopften und die Mitarbeiter mit Worten wie "Ihr blöden Scheißer! Geht’s ham! Wir brauchen euch und euer Haus hier in Österreich nicht" beschimpften. Dementsprechend angespannt ist die Atmosphäre, wenn man sich beim Portier anmelden will. Von den 45 fix angestellten Mitarbeitern ist rund die Hälfte nicht anwesend.
Angespannt ist auch der politische Disput rund um die Schließungsdebatte des Zentrums. Denn das Kaiciid will ein Ultimatum von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ignorieren.
Dieser hatte am Montagmorgen gefordert, das Dialogzentrum müsse sich ganz klar von Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien distanzieren und drohte widrigenfalls mit einem Ausstieg Österreichs aus dem Gründungsvertrag. Die Causa schlägt innenpolitisch hohe Wellen, zumal Faymann den Ton gegen das Zentrum und gegen Riad in den vergangenen 48 Stunden deutlich verschärft hatte. Zuvor hatten sich Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) gegen eine Schließung des Kaiciid ausgesprochen und forderten nach dem Rücktritt der umstrittenen Vize-Generalsekretärin, Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, einen "Neustart".
"Wir reden nicht von Ländern, sondern von Menschen"
Beim Gespräch mit der "Wiener Zeitung" und der Austria Presse Agentur am Dienstag gab Kaiciid-Sprecher Peter Kaiser dem Bundeskanzler aber umgehend einen Korb. Er verwies darauf, dass das Kaiciid ein Ort des Dialogs und nicht das UN-Menschenrechts-kommissariat (UNHCHR) sei.
"Wir werden uns über die Auspeitschungen in Saudi-Arabien nicht äußern", meinte er. "Für das Abdullah-Dialog-Zentrum spreche ich das aus, was das ,Board of Directors‘ beschließt. Dieses verurteilt jede Form der Gewalt, ist aber gegen eine Einmischung in innere Angelegenheiten von Staaten", ergänzte er. Dazu würden auch juristische Urteile wie jenes gegen den kritischen Blogger Raif Badawi zählen. Kaiser wiederholte, dass das Kaiciid "jede Art von Gewalt - wann, wo und wie immer sie auftritt und durch wen auch immer sie ausgeübt wird - verurteilt".
Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) reagierte entsprechend gereizt: "Das Beharren auf Schweigen ist das Gegenteil von Dialog."
Der Blogger Badawi war zu 1000 Peitschenhieben verurteilt worden, weil er die Gleichwertigkeit aller Religionen angesprochen hatte. 50 davon bekam er bereits, weitere 50, die für vergangenen Freitag angesetzt waren, wurden verschoben und sollen diesen Freitag nachgeholt werden. Menschenrechtsaktivisten sprechen von einer Ermordung Badawis auf Raten.
Kaiser rief auch in Erinnerung, dass das Abdullah-Zentrum "gar keine Befugnis hätte", die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien zu kritisieren. Zumindest aber ein "intensiver Dialog" über Menschenrechte soll in nächster Zeit geführt werden.
Bandion-Ortner war beim Pressefrühstück nicht mehr anwesend. Sie war in den vergangenen Monaten ohnehin nur spärlich anwesend. Auch wird sie bis zu ihrem formalen Austritt, der wahrscheinlich Ende Jänner erfolgen wird, nicht mehr ins Haus kommen, sondern Resturlaub oder Rest-Freizeit konsumieren. Glücklich war das Kaiciid mit den Ereignissen rund um Bandion-Ortner ohnehin nicht, sondern eher "betrübt", wie es heißt. Eine informierte Quelle meint, dass man ihr mehrfach gesagt hätte, dass sie einen "sensibleren und diplomatischeren Umgang mit den Medien" pflegen solle. Doch Bandion-Ortner habe stets geantwortet, dass sie "authentisch bleiben müsse" und habe sich anders verhalten.
Einige Gehminuten weit weg vom Palais Sturany dreht sich auch in der Präsidentschaftskanzlei an diesem Vormittag alles um das Kaiciid: Aus dem von der ÖVP gewünschten "klärenden Gespräch" der Regierungsspitze beim Bundespräsidenten zum Thema wird aber vorerst nichts. Vielmehr habe Heinz Fischer die Minister Ostermayer und Kurz "zu getrennten Gesprächen in die Hofburg eingeladen", hieß es dazu aus seinem Büro. Diese seien schließlich für Religion (Ostermayer) beziehungsweise Außenbeziehungen (Kurz) zuständig, wurde betont. Der Bundespräsident wolle mit ihnen "die Situation in Ruhe analysieren". Ein gemeinsames Treffen mit Kanzler Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sei derzeit nicht geplant.
Kurz ist eine gemeinsame Linie Österreichs in der Sache wichtig, denn er plant für Februar eine Reise in die Golfregion. Auf dem Reiseprogramm stehen Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Besprochen werden sollen unter anderem die Themen "Kampf gegen islamistischen Terror" und "Menschenrechte", hieß es aus dem Außenamt. Die Reise steht auch im Zusammenhang mit dem am gestrigen Außenministerrat in Brüssel verkündeten Vorhaben der EU, mit arabischen Staaten stärker im Kampf gegen den Terrorismus zusammenzuarbeiten.
Saudis sind sauerauf Österreich
Kurz wird sich von der saudischen Führung auch einige Fragen zum Verhalten Österreichs in Bezug auf das Kaiciid gefallen lassen müssen. Wie die "Wiener Zeitung" erfuhr, ist das Königshaus äußerst verärgert über den derzeitigen Ton in Wien.
"Euer ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka meint, es müsse ein neuer saudischer Botschafter kommen, damit man in Saudi-Arabien etwas bewirken kann und euer Kanzler stellt uns ins böse Eck. Glauben die, dass wir ihnen dann einen roten Teppich ausrollen?", sollen saudische Diplomaten in Bezug auf den bevorstehenden Besuch von Kurz laut informierten Quellen gesagt haben.
Austrittsoptionen
(jm) Wie leicht oder wie schwer ist ein Austritt aus dem König Abdullah Zentrum für Österreich eigentlich? Grundsätzlich gibt es für diese internationale Organisation zwei völkerrechtliche Verträge. Einen Gründungsvertrag, diesem gehören Österreich, Spanien und Saudi-Arabien an. Und ein Amtssitzabkommen zwischen Österreich und Saudi Arabien. Kündbar sind beide Verträge. Wird im Nationalrat der mehrheitliche Beschluss gefasst, aus der Organisation auszutreten - Kanzler Werner Faymann forciert diese Option - beträgt die Kündigungsfrist drei Monate. Das Zentrum am Schottenring würde dann weiter existieren, Österreich wäre aber nicht mehr finanziell daran gebunden. Beendet man das Amtssitzabkommen, beträgt die Kündigungsfrist ein halbes Jahr. Die ist deswegen so hoch angesetzt, um der Institution die Suche nach einem neuen Staat für den Amtssitz zu erleichtern. Das kann übrigens eines der Mitgliedsländer des Zentrums sein. Aber auch ein anderes EU- Land oder Drittstaat. Für eine vollständige Schließung des Zentrums braucht es die einstimmige Einwilligung aller involvierten Länder. Die steht aber ob der bestehenden Interessen Saudi- Arabiens und Spaniens ohnehin nicht zur Debatte.