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Ein kultiviertes Lächeln

Von Hermann Schlösser

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Der Aktionskünstler Wolfgang Flatz sagt so starke Sätze wie "Ich habe meinen Körper komplett ausgelotet" oder "Indem ich mich als Opfer darbiete, bin ich immer auch Täter", und außerdem sieht er nicht wie ein feinsinniger Künstler aus, sondern wie ein Rocker: Er trägt Lederkleidung und eine Sonnenbrille, seine Ohren sind mit Ringen behängt, und schwere silberne Ringe zieren auch die Finger seiner Hände.

Keine Frage, dass sich dieser Mann vom Durchschnittsbürger unterscheiden will. Das ist sein Recht als Künstler. Anhänger avantgardistischer Konzepte würden wahrscheinlich sogar sagen: Das ist seine Pflicht. Zu den fortschrittlichen Lehrsätzen des 20. Jahrhunderts gehörte immer auch die Meinung, Kunst sei nur dann gut, wenn sie gegen das Normale und Durchschnittliche verstoße. Dass auch Wolfgang Flatz diese Ansicht teilt, sieht man sofort an seiner Garderobe.

Aufgetreten ist Flatz am Montagabend in "Treffpunkt Kultur". Mit ihm konversierte Barbara Rett - intelligent und kultiviert wie immer. Das Aussehen des Mannes kam dabei natürlich nicht zur Sprache. Wie auch? Schließlich konnte Barbara Rett nicht sagen: "Um Himmels willen, wie sehen Sie denn aus?" Das ist klar. Und doch bleibt ein kleines Unbehagen: Da macht sich ein Mann so viel Mühe mit seinem hochgestylten Rocker-Outfit, und die Kulturmoderatorin lächelt einfach vornehm über alles Provokante hinweg. Genau genommen ist das keine adäquate Reaktion. Aber andererseits: Vielleicht besteht Kultur eben darin, auf starke Reize verhalten zu reagieren? Das könnte auch sein.