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Die Sinnhaftigkeit des derzeitigen Kirchenbeitragssystems in Österreich ist grundsätzlich in Frage zu stellen, nicht erst durch die Rekordzahlen an Kirchenaustritten.
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Die Einführung eines Kirchenbeitrags in Österreich nach dem Einmarsch Hitlers war ja nicht als Wohltat für die Kirchen (Katholische, Evangelische, Altkatholiken) gedacht. Hitler wollte die Kirchen zu privaten Vereinen machen und sie aushungern, um sie dann liquidieren zu können. Dieser in Europa einzigartige Beitrag verschafft in Österreich jenen, die aus welchen Gründen auch immer austreten oder gar nie Mitglied waren, einen finanziellen Vorteil, indem der entsprechende Beitrag in die eigene Tasche fließt beziehungsweise dort verbleibt - sozusagen ein Nichtmitglieds- oder Austrittshonorar.
Die auch vom Staat anerkannten Leistungen der Religionsgemeinschaften für die Gesellschaft (Kulturgüter, pastorale und sinngebende Dienste und vieles mehr) könnten auf der Ebene des Staates nicht erbracht werden. Dieses Angebot auszudünnen war die Absicht des Nazi-Gesetzes, das heute wohl kaum noch von jemandem unterstützt werden dürfte. Vom Staat wurde ja bisher auch kein freiwilliger Austritt aus Steuerverpflichtungen eröffnet.
Wenn beinahe ein Viertel der österreichischen Bevölkerung aus einer der anerkannten Religionsgemeinschaft ausgetreten ist oder gar nie Mitglied war (auch das ist legitim) und somit auch keine Beiträge an eine anerkannte Religionsgemeinschaft entrichtet, müsste sich der Staat, die Politik oder ein Finanzminister fragen, ob nicht der Staat von sich aus einen Schritt setzen sollte, um dieses Beitragsmodell zu reformieren.
Es geht dabei um Beträge von mehreren hundert Millionen Euro jährlich in Österreich, die andere Staaten wie Italien oder Spanien von ihren Bürgern einfordern. Nun soll keineswegs einer Kopie des italienischen oder spanischen Modells das Wort geredet werden, das auch noch die Wahlmöglichkeit der Zuweisung inkludiert, weil niemand will, dass die Beschäftigten der Kirchenbeitragsstellen in Österreich ihre Arbeitsplätze verlieren. Sondern der Staat müsste lediglich von jedem Bürger-Steuerzahler einen Kulturbeitrag fordern, der bei den Mitgliedern einer anerkannten Kirche eins zu eins als Kulturbeitrag anerkannt wird.
Die Erhaltung der Kulturgüter wird in Europa zumindest als Wert, wenn nicht als Teil der kulturellen Identität gesehen. Wenn die Kirchen viele kulturelle, soziale, sinngebende Aufgaben erfüllen helfen, die sich bei den Kulturgütern oder beim zuletzt diskutierten Ethikunterricht auch mit staatlichen Verpflichtungen und Aufgaben decken, dann ist es unsolidarisch, wenn ein Viertel der Bevölkerung dazu nichts beiträgt, vom Staat gar nicht gefordert wird, sondern finanziell sichtbar auch noch mit einem "Honorar" belohnt wird. Jeder soll die Möglichkeit zum Austritt haben, aber ein finanzieller Vorteil dafür ist geradezu widersinnig, weil alle von den Tourismuseinnahmen aus Kulturgütern Gewinn ziehen.
Gefordert ist also die Politik, schließlich hat auch eine unselige Politik den Kirchen das Beitragsmodell 1939 oktroyiert.
Rudolf Höfer ist außerordentlicher Professor am Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte der Universität Graz.
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