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Es gibt eine kategorische Unterscheidung in der Politik: die zwischen Reden und Tun. Und diese Differenz lässt sich auch nicht durch noch so berechtigte Mahnungen verwischen, welche die Wortwahl als Vorgriff auf die Tat begreifen.
Vielleicht, weil es ihrem eigenen Metier so nah liegt, neigen Medien dazu, dem Reden der Politik viel Raum zu geben. Zu viel. Und weil alle Politik das weiß und für sich einsetzt, kann es vorkommen, dass die Medien vor lauter Politiker-Reden den Blick auf das Reale verlieren. Und viel zu oft den schnellen Sprüchen hinterherlaufen.
Womit die rhetorische Aufkündigung des EU-Programms zur Flüchtlingsverteilung durch die Koalition aufs Tapet kommt. Aus heutiger Sicht handelt es sich dabei um ein weiteres billiges Mittel zum Zweck, die FPÖ dort zu halten, wo sie ist: in der Opposition. SPÖ wie ÖVP nehmen dafür auch Grenzüberschreitungen (oder das, was vor noch nicht langer Zeit als solche bezeichnet wurde) in Kauf. Am Ende, wenn längst über anderes gestritten wird, wird Österreich seine rechtlichen Verpflichtungen erfüllen (alles andere käme teuer). Und bemerkenswerterweise schwillt die Kritik nicht an, sondern verläuft sich in Nischenkanälen.
Natürlich ist dieses Gerede dem Stimmungswandel in der Bevölkerung und der damit zusammenhängenden Angst vor der FPÖ geschuldet. Und das gilt auch für das Tun, etwa das am Dienstag beschlossene Integrationspaket. Wie auch nicht: Die Idee, dass Politik auf Interessen und Stimmungen der Bevölkerung reagiert, ist die Grundidee der Demokratie. Platons Philosophenkönig hat nämlich doch einige Haken.
Im Integrationspaket ist nun viel von Pflichten für Flüchtlinge die Rede, von pragmatischen wie Spracherwerb und gemeinnütziger Arbeit, sowie von symbolischen wie dem Burka-Verbot und Hürden für Koran-Verteilaktionen.
Die Gefahr besteht, dass das Gerede der Regierung ihr Handeln überdeckt (zumal es ja allein am Dienstag auch noch weitere herzeigbare Beschlüsse gab). Der Vorteil der Eskalationsspirale liegt beim Fordern verlässlich bei der Opposition. SPÖ und ÖVP versuchen gerade, im Feldversuch das Gegenteil zu beweisen. Die Strategie ist riskant und könnte trotzdem aufgehen. Verrückte Zeiten. Und wenn es klappt, könnte es zur Regel werden. Dann wird man schon sehr genau hinschauen müssen, um die Opposition von der Regierung zu unterscheiden.