Am 21. April 1967 errichtete das Militär in Griechenland mit Hilfe der CIA ein Terrorregime.
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Am Ende stand die Farce: Diktator Georgios Papadopoulos, selbsternannter Retter von "Vaterland, Wirtschaft und Familie", weigerte sich, die Verantwortung für eine siebenjährige Terrorherrschaft zu übernehmen. "Ich werde nur der Geschichte und dem griechischen Volk antworten", sagte der für sein Pathos bekannte vormalige Vorsitzende der Militärjunta 1975 bei seinem Prozess. Richter Iannis Dejannis antwortete trocken: "Glauben Sie, die Geschichte ist nicht in diesem Gerichtssaal?"
Damit traf er den wunden Punkt der Militärs, denn die hatten sich stets als die wahren Träger der Geschichte Griechenlands präsentiert. Wer heute ihre pompösen Inszenierungen auf Video anschaut, die Darstellungen spartanischer und byzantinischer Soldaten durch hilflos schauspielernde Infanteristen, gefolgt von Tableaux vivants mit Frauen in pseudoantiken Gewändern, die ein Stadionsprecher zu Allegorien für Ruhm und Ehre erklärt, hat den Eindruck einer Schüleraufführung beizuwohnen. Hinter der volksdümmlichen Inszenierung, zu der auch Papadopoulos' Ansprachen in so bemühtem wie unbeholfenem Gelehrtengriechisch beitrugen, versteckte sich allerdings eine brutale Realität.
Noch am Abend des Putsches vom 21. April 1967, der den allgemein erwarteten Wahlsieg der Zentrumsunion unter Georgios Papandreou verhinderte, wurden mehr als 10.000 Personen verhaftet, darunter zahlreiche Veteranen des griechischen Widerstands gegen die deutsche Besatzung (1941-1945) und des Bürgerkriegs (1946-1949). Die demokratischen Rechte wurden abgeschafft, Vereine, Parteien und Gewerkschaften verboten. Im ersten Monat nach dem Putsch ließen die neuen Machthaber etwa 8.000 Menschen ermorden. Mehr als 4.000 politische Prozesse fanden innerhalb kürzester Zeit statt.
<p>Mörder, getarnt als Tick, Trick und Track: Stylianos Pattakos, Georgios Papadopoulos und Nicholas Makarezos.
Das Regime der Obristen, wie es international genannt wurde, ließ Tausende politische Gefangene auf unwirtliche Gefängnisinseln wie Gyaros und Makronisos bringen. In den Gefängnissen wurde systematisch gefoltert. Zum Repertoire des Geheimdienstes und der Militärpolizei gehörten Elektroschocks, Auspeitschungen, Schläge auf die Fußsohlen und die Geschlechtsorgane, sexuelle Folter und Vergewaltigungen, Schlafentzug und Nahrungsverweigerung.
Die Informationen, die das Regime auf diese Weise erhielt, waren zumeist nicht besonders wertvoll. Die Verschwörungen, zu denen man die Gefangenen befragte, waren genauso herbeifantasiert wie der offizielle Grund des Putsches, die Verhinderung einer kommunistischen Machtübernahme bei den Wahlen: In Wirklichkeit war die Kommunistische Partei seit langem verboten, an ihrer Stelle trat die inhaltlich breiter aufgestellte Vereinigte demokratische Linke (EDA) bei Wahlen an. 1958 erhielt sie 24,43% der Stimmen, 1964 nur noch 11,8%. "Es gab nie eine kommunistische Gefahr", stellt denn auch der Historiker Christos Kassimeris klar.
Die Wenigen, die an die kommunistische Drohung glaubten, waren untere und mittlere Kader des Sicherheitsapparats. Tatsächlich diente die Folter vor allem der systematischen Einschüchterung. Dafür sprechen willkürliche Verhaftungen und Berichte von Erniedrigungen und Scheinhinrichtungen, wie sie auch der Komponist Mikis Theodorakis erlebte. Niemand sollte sich sicher fühlen, niemand sollte auch nur daran denken, aus der Reihe zu tanzen. Innenminister Stylianos Pattakos erklärte: "Wer sich weigert, die Reueerklärung zu unterzeichnen, wird das Lager nur als faulender Kadaver verlassen."
Den Körper als Metapher bemühte auch Papadopoulos. Er sprach vom griechischen Volk als einem Patienten, der in Gips gelegt und geheilt werden müsse. Die Aufgabe des Arztes übernahm der Oberst mit dem ausgeprägten Sendungsbewusstsein selbst. Ende 1967 ließ er sich zum Premier ernennen, 1972 zum Regenten anstelle des geflüchteten Königs.
Tatsächlich befand sich dieser Patient in den 1960ern auf dem Weg der Besserung und spürte erstmals einen Hauch der Freiheit nach einer Diktatur, der deutschen Besatzung, einem Bürgerkrieg mit britischer und US-amerikanischer Beteiligung und einer Reihe autoritärer, rechtsgerichteter Regierungen. Diese mussten sich dank des 1952 vom Bürgerkriegs-Marschall Papagos eingeführten Mehrheitswahlrechts und diverser Manipulationen lange Zeit keine Sorge um den Willen der Wähler machen.
1965 erhielt die Zentrumsunion allen Hindernissen zum Trotz einen klaren Regierungsauftrag. Damit hatte sich Parteichef Georgios Papandreou, genannt der Alte, aber nur in einem der drei Machtblöcke des Landes durchgesetzt. König Konstantin II, der seine Krone für mehr als einen schönen Hut hielt und von feudalen Verhältnissen träumte, kaufte mit tatkräftiger Hilfe der CIA genügend Abgeordnete, um die Regierung scheitern zu lassen.
Washington im Hintergrund
Den nächsten Wahlen kam das Militär als dritte Kraft mit dem Putsch zuvor. Wie stark Washington darin involviert war, ist bis heute umstritten. Laut freigegebenen Dokumenten teilte Botschafter Philip Talbot dem State Department wenige Tage davor mit, dass dem Land wohl nur "die brutale Wahl zwischen einer Diktatur und von Andreas Papandeou angeführten Angriffen auf den König und möglicherweise auf Griechenlands Bündnispolitik" bleibe. Das liest sich wie ein Persilschein für einen Staatsstreich, der gleich die Argumente der Verschwörer mitliefert.
Vom Putsch selbst war er dann, laut seinen Telegrammen, überrascht.
Sicher lässt sich sagen, dass die Selbstbestimmung Griechenlands den Amerikanern so wenig Herzen lag wie die anderer Länder. Im zeitnahen Umfeld wirkten die USA weltweit an jedem als antikommunistisch propagierten Umsturz mit. Erwähnt seien die Staatsstreiche im Iran (1953), in Guatemala (1954), Bolivien (1964 und 1971), Brasilien (1964) und Chile (1973) sowie die gescheiterte Invasion Kubas (1961). Die Sichtweise Washington hatte US-Präsident Lyndon B. Johnson bereits 1964 dem griechischen Botschafter mit den Worten "Fuck your parliament and your constitution" erklärt.
In Athen waren die amerikanischen Informationsoffiziere tief in den Parakratos, den autoritär ausgerichteten Staat im Staat, eingebunden. Der Geheimdienst KYP war sowohl eine Gründung wie ein Werkzeug der CIA, und der gemeinsame Feind hieß Andreas Papandreou, Sohn des greisen Georgios und Führer des sozialdemokratisch orientierten Flügels der Zentristen. Der Harvard-Absolvent forderte einen neutralen Kurs Griechenlands und somit den Austritt aus der NATO. (Nach seinem Wahlsieg 1981 war davon übrigens nicht mehr die Rede.). Laut dem Ökonomen John Kenneth Galbraith empfahl Präsident Johnson den Obristen, "diesen Hurensohn umzulegen".
All das macht es ziemlich unwahrscheinlich, dass Washington die griechische Tragödie nur erste Reihe fußfrei verfolgt habe. Tatsächlich hatten die USA gleich doppelt vorgesorgt: "Sie konzipierten zwei Diktaturen. Eine der Generäle, in die der Palast eingebunden war, und über die das State Department Bescheid wusste, und eine der Obristen, die im CIA-Hauptquartier in Virginia geplant wurde", erklärte der Komponist und einstige Kulturminister Thanos Mikroutsikos der Wiener Zeitung.
Wesentliche Entscheidungen in der Nacht des Putsches fielen schließlich nicht in Griechenland. Entscheidend für den Erfolg war nämlich die Aktivierung des von der NATO entwickelten Prometheus-Plans zur Destabilisierung einer allfälligen kommunistischen Regierung. Diesen setzte der Generalstabschef Grigorious Spandidakis in Kraft – und das mit Sicherheit nicht ohne Wissen oder gar gegen den Willen des NATO-Oberkommandos.
Das Bauernopfer der US-Doppelstrategie war ausgerechnet der König. Nachdem er die Herrschaft von Papadopoulos und seinen Kameraden legitimiert hatte – "Halt's Maul und unterschreib!" soll seine Mutter befohlen haben – führte Konstantin einen dilettantischen Gegenputsch durch und musste ins Exil. Nach der Diktatur brauchte ihn auch niemand mehr, und er erheiterte in der Folge Zollbeamte mit seinem dänischen Pass mit der Berufsbezeichnung "König von Griechenland".
Brauchbare Mörder im Kalten Krieg
Allen Berichten über Morde, Folter und Verschleppungen zum Trotz wurde das Regime zur Errichtung eines "Hellas christlicher Hellenen" Anfang 1968 von den USA und Großbritannien anerkannt. Ein löchriges Embargo wurde bald aufgehoben, und ab dem September 1970 lieferten die USA unter Präsident Nixon wieder schwere Waffen an Griechenland.
Auch die Sowjetunion ließ sich nicht lange bitten und folgte den geheimen Zusatzvereinbarungen von Jalta, denen zufolge Griechenland zu 90 Prozent dem Westen gehöre. Damit hielt sich Moskau auch den Rücken für Schweinereien im eigenen Interesse frei. Der Einmarsch in der Tschechoslowakei, wo die kommunistische Führung mit der Demokratie experimentierte, war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Option des Generalstabs. Am 21. August 1968 wurde er schließlich umgesetzt.
Die westlichen Staaten waren im Kalten Krieg auf Griechenland als NATO-Mitglied angewiesen, dessen strategische Bedeutung nach dem Sturz der libyschen Monarchie durch Oberst Muammar al-Gaddafi in Libyen am 1. September 1969 und dem Verlust amerikanischer und britischer Stützpunkte noch wuchs.
Stellung gegen das Regime bezog vor allem Europa. Das Assoziierungsabkommen mit der EWG wurde ausgesetzt, und einem Ausschluss aus dem Europarat kam das Regime durch den Austritt zuvor. Als einziges Land brach Schweden die diplomatischen Beziehungen mit Griechenland ab.
Widerstand gab es aufgrund der umfassenden und von langer Hand geplanten Verhaftungswelle vor allem punktuell oder passiv. Ein Attentat auf Papadopoulos schlug 1968 fehl, und im September 1970 verbrannte sich der Student Kostas Georgakis als Protest gegen die Diktatur auf der Piazza Matteotti in Genua. Populär war das Regime allenfalls auf dem Land, wo es Klientelpolitik betrieb: bei Armeeangehörigen, die höhere Gehälter und äußerst günstige Kredite erhielten, sowie bei Bauern, an die entsprechend einem Gesetz aus dem Jahr 1959 Land verteilt wurde. Dazu sorgten auf dem Land für Arbeitsplätze und ein Mehr an Lebensqualität.
Die Schriftsteller des Landes riefen als Reaktion auf die Zensur einen dreijährigen Publikationsstopp aus. Als die Junta die Vorzensur aufhob, erschien im Sommer 1970 der Band "18 Texte", in dem Thanasis Valtinos das Bild vom kranken Volk in Gips so mutig wie sarkastisch aufgriff. Sein Ich-Erzähler wird im Spital derart effektiv behandelt, dass er schließlich am Gips erstickt. Zuvor erklärt er dem behandelnden Arzt: "Bei aller Bewunderung Ihrer Fertigkeiten erlauben Sie mir zu sagen, dass es absolut unmöglich ist, dass Sie Ideen haben."
Zentren der Opposition im Exil war Paris, von wo aus Künstler wie der Filmregisseur Costa-Gavras der Propaganda der Obristen entgegentraten. Der Komponist Mikis Theodorakis schuf nach seiner durch internationale Proteste erzwungenen Ausreise im Ton an Volkslieder anknüpfenden Vertonungen von Gedichten von Autoren wie Iannis Ritsos oder Giorgios Seferis, die als Konterbande nach Griechenland gelangten.
Berühmt wurde die Antwort Melina Mercouris an den Innenminister Pattakos, der ihr die Staatsbürgerschaft entziehen wollte: "Ich bin als Griechin geboren und werde als Griechin sterben. Herr Pattakos ist als Faschist geboren und wird als Faschist sterben."
Das Ende
Am 14. November 1973 besetzten Studenten das Athener Polytechnikum. Das Regime antwortete drei Tage später mit Gewalt. Ein Panzer walzte das Eingangstor der Universität nieder, und Soldaten stürmten das Gelände. Die Bilanz: 24 Tote, Hunderte Verhaftete und ein Putsch innerhalb der Junta, bei dem Papadopoulos vom Chef der Militärpolizei ESA, Dimitrios Ioannidis, kaltgestellt wurde.
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Angesichts der rapide schwindenden Unterstützung griff Ioannidis auf einen uralten Trick aller Diktatoren zurück, der Einigung des Volkes durch nationale Begeisterung. Die vorgebliche "Befreiung der griechischen Brüder" in Zypern durch einen Putsch gegen den zypriotischen Präsidenten Makarios III. (1913-1977) im Juli 1974 löste freilich die türkische Invasion aus. Die folgende griechische Mobilmachung offenbarte den erbärmlichen Zustand der Armee, und das Regime brach am 23. Juli zusammen.
Fünfzig Jahre danach ist das Königshaus längst Geschichte. Die alten rechten Seilschaften in Militär, Geheimdienst und Polizei existieren zwar noch, haben aber viel an Macht eingebüßt. Selbst in der aktuellen Krise scheint eine Wiederholung der Geschichte unwahrscheinlich. Ex-Minister Mikroutsikos sieht denn auch nicht das Militär als Gefahr für die Demokratie, sondern die neofaschistische Goldene Morgenröte, auf deren antikapitalistische Lockrufe "ein großer Prozentsatz ohnmächtiger Bürger" hereinfällt. Sein Rezept dagegen ist als Aufforderung an Premier Alexis Tsipras zu verstehen: "Eine Linke, die sich "nicht in das System assimiliert, wenn sie an die Macht kommt."
Telegramme des US-Botschafters Philip Talbot
"Through multiple blunders of past fortnight instability endemic since July 1965 has deteriorated into imminent danger of first-class mess leading country to brutal choice between dictatorship and Andreas Papandreou-led attacks on monarch and probably Greece's foreign alignment."
(14 April 1967)
"(…) all have emphasized their fidelity to King and to NATO."
(21. April 1967)
"Observing both Kollias and Spandidakis tonight, I was confirmed in my impression that PriMin is merely front-man and that real power rests with military. Question is which military.
(21. April 1967)
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Zum Nachlesen
Amnesty International: Torture in Greece. The First Torturers' Trial 1975, London Amnesty International Publications 1977 (online).
Koliopoulos, John S. / Veremis, Thanos M.: Modern Greece - a history since 1821, Chichester: Wiley-Blackwell 2010.
Kassimeris, Christos: Causes of the 1967 Greek Coup. In: Democracy and Security, Vol. 2, Issue 1, London: Routledge 2006. pp. 61-72.
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Videos
Kitsch und Kirche – Eine Veranstaltung zum zweiten Jahrestag der Machtübernahme
Costa-Gavras: Z - Anatomie eines politischen Mordes (Spielfilm)
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Gerald Jatzek ist Online-Redakteur der Wiener Zeitung, Buchautor und Musiker. Er veröffentlichte zuletzt den Band Die Lieder riechen nach Thymian mit Reisegedichten.