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Ein Land ohne Aussicht

Von Ines Scholz

Politik

Wien - Die Palästinenserinnen Rania Kharma, Vertreterin der Fatah-Jugend, und Sumaya Farhat-Naser, Friedensaktivistin, zeichnen ein düsteres Bild von Alltag und Stimmung in den Palästinensergebieten. Die Hoffnung auf Frieden ist verflogen; zulange schon wurde darüber geredet, ohne dass sich die Lage verbessert habe.


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In das heute beginnende Arabische Gipfeltreffen in Beirut legt Rania Kharma deshalb auch keine allzu großen Erwartungen. "Ich hoffe, dass mehr rauskommt als reine Absichtserklärungen, aber sehr optimistisch bin ich nicht".

Sicher nicht weiter komme die Region mit blutigen israelischen Militäroffensiven gegen die Palästinensische Autonomiebehörde und die Zivilbevölkerung. "Sie provozieren nur Gegenschläge". Ebensowenig sieht die 28-Jährige eine Lösung in ausschließlichen Sicherheitsverhandlungen mit der israelischen Seite. "Was wir brauchen, sind politische Gespräche mit substantiellen Fortschritten". Dazu müssten die Internationale Staatengemeinschaft und vor allem die USA Druck auf Israel ausüben". Aber der komme nicht.

Zu Beginn des Osloer Friedensprozesses Anfang der 90er Jahre, erinnert sich Rania, die unter israelischer Besatzung geboren wurde und ein Leben in Freiheit nur aus ihren Träumen kennt, hat unter den Palästinensern noch eine gewisse Aufbruchsstimmung geherrscht. Ein Ende der israelischen Besatzung und die Gründung eines eigenen Palästinenserstaates schienen in Reichweite. Heute, nach zehn Jahren Verhandlungen "von einem Interimsabkommen zum nächsten, von einem Kompromiss zum nächsten ohne substantielle Fortschritte für die Palästinenser hat sich die Hoffnung erschöpft". In den Straßen herrscht Aussichtlosigkeit.

Als Ende September 2000 die zweite Intifada ausbrach, habe Israel den Palästinensern in den besetzten Gebieten das Leben zur Hölle gemacht. Sie wurden in abgeriegelte Ghettos gepfercht, die sie nur unter großen Hürden und mit enormem Zeitaufwand verlassen können, schildert die Fatah-Vertreterin. Spitäler, Bildungsstätten, Arbeitsplätze wurden, obwohl sie nur wenige Kilometer entfernt sind, nahezu unerreichbar. Rania, die in Gaza-Stadt wohnt, musste bereits zweimal ihre Studienpläne umwerfen, weil neue israelische Checkpoints errichtet wurden. An den Armeeposten werden Palästinenser, zu Fuß oder mit ihren Autos, Stunden lang angehalten, wenn jüdische Siedler die querende Straße passieren wollen.

Im Westjordanland sei die Situation noch schlimmer. Dort sei eine Fortbewegung zwischen den Palästinenserorten aufgrund der zerstreuten Siedlungsstruktur zu einem Hazardspiel geworden. Für Wege, die man normalerweise in 20 Minuten bewältigt, benötigt man zur Zeit "Stunden über Stunden", schildert Kharma den zermürbenden palästinensischen Alltag. Sumaya Farhat-Naser, Mitbegründerin zahlreicher Frauen-Friedensbewegungen und Ökologie-Professorin an der Universität Bir Zeit, kennt die Schikanen. "Die Bewegungsfreiheit mit dem Auto beträgt zwei bis drei Kilometer. Dann kommt der nächste Checkpoint. Vielleicht lassen sie (die israelischen Soldaten, Anm.) einen auf dem Weg zur Arbeit, in die Schule oder ins Krankenhaus durch. Vielleicht auch nicht". Für Schwerkranke endet der Stopp am Armeeposten häufig mit dem Tod. Die Armee zögert die Weiterfahrt zum nächsten Spital gerne hinaus. Verletzte verbluten aus den Gründen, Frauen müssen unter den Augen der feindlichen Besatzer ihre Kinder gebären. Fast ein Ding der Unmöglichkeit ist es, die besetzten Gebiete zu verlassen. Die dafür seit 1987 vorgeschriebene Militärgenehmigung ist kaum noch zu bekommen. Sie selbst musste deshalb dreimal ihre Europareise verschieben. Selbst wenn man schwer kranke Verwandte auf der anderen Seite besuchen will, "lassen sie dich nicht raus", sagt Rania.

Der Friedensprozess hat versagt, sind sich die beiden Frauen aus Palästina einig. Einen Ausweg sehen sie in einer einzigen Losung: Ende der israelischen Besatzung zur Gründung eines eigenen Palästinenserstaates. Und das bald.