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Ein Land vertreibt seine Talente

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Österreich ist ein Nettoexporteur von Qualifikation, Bildung und Leistungsfähigkeit geworden - das ist wirtschaftlich außerordentlich schädlich.


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Im privaten Gespräch hat der Rektor einer der wichtigsten hiesigen Universitäten einen wenig schmeichelhaften Befund über die Attraktivität Österreichs für die Absolventen seiner ehrwürdigen Institution bereit: "Die Besten gehen nach Amerika, die Guten nach Deutschland, der Rest bleibt da."

Das mag ein wenig plakativ formuliert sein, ist im Kern aber leider nicht falsch: Österreich leidet an einem "Brain Drain" genannten Krankheitsbild, dessen wesentlichstes Symptom die Migration gerade besonders gut ausgebildeter jüngerer Menschen in offenbar attraktivere Gegenden der Welt ist. Seit ein paar Tagen ist das Phänomen sogar von den Statistikern der Republik genau vermessen: 20.000 bis 25.000 meist gut Qualifizierte verlassen demnach Österreich pro Jahr - über ein Jahrzehnt immerhin so viele Menschen, wie Linz Einwohner hat.

Natürlich kommen auch jedes Jahr Leistungsträger nach Österreich zurück - aber leider deutlich weniger, als das Land verlassen. Österreich ist daher ein Nettoexporteur von Bildung, Qualifikation und Leistung - und das ist überhaupt nicht gut so.

Denn es ist nicht eben der Gipfel ökonomischer Weisheit, als Staat im Schnitt 100.000 Euro in die Ausbildung eines Jungakademikers zu investieren- in Spitze, etwa bei der Veterinärmedizin, sogar mehr als 300.000 Euro -, damit der dann seinen Ranzen schnürt und im Ausland aufgrund seines guten Einkommens entsprechende Steuern zahlt. Das ist zwar für die neue Heimat des hoffnungsfrohen Absolventen aus Österreich eine Art fiskalischer Lottotreffer, für dessen Heimat aber eher eine veritable finanzielle Havarie. Denn selbst wenn Österreich jährlich nur sehr konservativ geschätzte 5000 Uni-Absolventen netto - also unter Einberechnung der Rückkehrer - verliert, so bedeutet das einen Schaden von einigen hundert Millionen Euro - Jahr für Jahr.

Noch schwerer wiegt freilich, dass Österreich damit erheblich in seiner Fähigkeit beeinträchtigt wird, auch in Zukunft wirtschaftlich leistungsfähige Unternehmen in ausreichender Zahl beherbergen zu können, die ja Basis für den allgemeinen Wohlstand sind. Wenn der "Brain Drain" ein bestimmtes Maß übersteigt, fließt in der Folge auch der Wohlstand ab. Erst geht das Hirn, dann geht das Geld, was tut man dann?

Deshalb erscheint auch die Nonchalance, mit der Österreichs politische Eliten diesem Problem, das ja nicht erst gestern vom Himmel gefallen ist, begegnen, nicht gerade übertrieben verantwortungsbewusst zu sein.

Das könnte freilich an den politischen Konsequenzen liegen, die eine korrekte Analyse des Problems nahelegen würden. Denn Österreichs enorm hohe Steuer- und Abgabenlast ist für die jungen Hochqualifizierten kein wirkliches Motiv zum Dableiben und das damit verbundene besonders dichte Sozialnetz naturgemäß genauso wenig, denn darauf reflektieren die ja nicht so stark.

Und dass Österreich lieber Milliarden in sinnfreie Entartungen des Föderalismus steckt, als damit Hochleistungsuniversitäten zu schaffen, die für Spitzenforscher attraktiv sind, macht die Sache nicht besser. Deshalb wird wohl auch weiterhin gelten: "Die Besten gehen nach Amerika, die Guten nach Deutschland, der Rest bleibt da."