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Wächterrat approbiert die endgültigen Kandidaten für Wahl Dienstag.
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Teheran/Wien. Der elfte Präsidentschaftswahlkampf wird im Iran zur Schlammschlacht. Neben der Frage, welche der 686 registrierten Bewerber vom Wächterrat voraussichtlich am heutigen Dienstag für die Wahl am 14. Juni approbiert werden, gibt es seit Tagen nur noch ein großes innenpolitisches Thema: die "Affäre Mahmoud Ahmadinejad".
Mit seinem eigenwilligen Einschreiten als Wahlhelfer für seinen Schützling und Wunschnachfolger Esfandiar Rahim Mashaei bei dessen Registrierung vor zehn Tagen hat der scheidende Präsident kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit für einen weiteren Skandal gesorgt und das Land gespalten.
Viele der Ultra-Hardliner rund um den obersten geistlichen Führer Ali Khamenei haben Ahmadinejad daraufhin harsch kritisiert und ihm Einflussnahme und kriminelle Handlungen wegen verbotener Wahlhilfe vorgeworfen. Einer von ihnen ist der Sprecher des mächtigen Wächterrates, Abbas Kadkhodai, der die "verfassungswidrige Aktion des Politikers" der Justiz meldete. Diese nahm sogleich Ermittlungen auf. Derweil gingen die Bilder und Videos, die Ahmadinejad und Mashaei lächelnd und Hand in Hand zeigen, um die Welt.
Andere Stimmen, etwa jene Medien und Führungspersönlichkeiten, die der Präsidentschaftskanzlei nahestehen, entgegneten, dass Ahmadinejad an jenem Tag Mashaei als Privatperson begleitet hätte und dies im Einklang mit der iranischen Verfassung stünde. Für den Wahlkampf selbst hat diese Auseinandersetzung erhebliche Folgen. "Sehen Sie, es geht jetzt einmal um die Frage, ob Ahmadinejads Ziehsohn Mashaei, dem die geistliche Elite vorwirft, abseits der Grundzüge der Islamischen Republik und des Weges der Revolution zu stehen, überhaupt vom Wächterrat approbiert wird", gibt der Politologe Arash K. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu bedenken.
Laut ihm stehen die Chancen dafür eher schlecht: "Bei den Diskussionen im Vorfeld hat das Wächterratskollegium angemerkt, dass es problematisch wäre, jemanden zu approbieren, der von Khamenei schon 2009 als Vizepräsident abgelehnt wurde. Damals wies Khamenei Ahmadinejad an, Mashaei sofort zu entlassen. Ahmadinejad fügte sich, machte Mashaei aber zu seinem Bürochef, also zu seiner rechten Hand, und in der Folge zum Generalsekretär des Bündnisses der Blockfreien Staaten, dessen Vorsitz der Iran 2012 übernommen hat. All dies waren Versuche, Mashaei für die kommende Wahl zu positionieren. Khamenei entging dies nicht und er distanzierte sich zunehmend von seinem ehemaligen Schützling. Ahmadinejad wird trotzdem nicht leise abtreten", analysiert Arash K.
Westen beobachtet Wahl mit Argusaugen
Eines scheint gewiss: Von der Wunschvorstellung, dass die vom Westen mit Argusaugen beobachtete Wahl zum siebenten Präsidenten des schiitischen Gottesstaates ruhig und möglichst ohne Skandale abläuft, kann sich Khamenei spätestens seit dem Skandal rund um Mashaeis Registrierung verabschieden.
Bei der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinejads 2009 war es nach Wahlbetrugsvorwürfen zu wochenlangen Protesten der sogenannten "Grünen Opposition" gekommen. Deren Anführer, die beiden Oppositionschefs, Mir Hossein Mousavi und Mehdi Karroubi, befinden sich seit Monaten unter Hausarrest. Mehrere hundert Personen wurden zudem bei der Niederschlagung der Massendemonstrationen getötet, verletzt oder in Gefängnisse gebracht.
Hardliner wollen Rafsanjani verhindern
Einer, der mit ihnen sympathisierte, ist ein weiteres Sorgenkind Khameneis: Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani. Er hat den Wahlkampf mit seiner "Last minute"-Registrierung ebenfalls aufgewirbelt. Rafsanjani und Khamenei sind zwei der Politveteranen Irans, haben sich aber nach den Ereignissen 2009 auseinandergelebt. Rafsanjanis Weigerung, sich deutlich von der Opposition zu distanzieren, kostete ihn in der Folge viel an Einfluss. Ihm wird vorgeworfen, mit den Aufständischen gemeinsame Sache zu machen. Viele rechte Medien fahren dieser Tagen alle Geschütze auf, um die iranische Bevölkerung vor "einer weiteren Präsidentschaft Rafsanjanis" zu warnen.
Wie nervös Khamenei wegen dem bevorstehenden Urnengang ist, geht vor allem daraus hervor, dass seine Gefolgsleute im Parlament, rund 100 Abgeordnete, eine Petition an den Wächterrat schickten, in der sie die Ablehnung der Approbierung von Mashaei und Rafsanjani forderten. Von den 686 Bewerbern werden letztlich nur rund ein Dutzend übrig bleiben. Die vier Hauptkandidaten aus dem Umfeld von Khamenei, Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati, Ex-Parlamentspräsident Gholam Ali Haddad-Adel und der Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf, die in einem Dreierbündnis antreten, und Atomunterhändler Saeed Jalili werden sich zusammenschließen und mit einer Stimme sprechen müssen, um eine ernsthafte Chance zu haben. Derzeit sagen viele Analysten im Iran ein mögliches Duell Jalili gegen Rafsanjani oder Ghalibaf gegen Rafsanjani vorher, wenn Mashaei nicht antreten darf.
Sollte Letzterer die Approbierung erhalten, käme es zu einem Dreikampf zwischen ihm, Rafsanjani und dem Spitzenkandidaten aus dem Khamenei-Lager. Und Ahmadinejad? Er hat schon im Vorfeld angekündigt, dass er sich genau ansehen werde, ob der Wächterrat seinen Kandidaten Mashaei approbiere oder nicht. Sollte Mashaei abgelehnt werden, will der umstrittene Noch-Präsident dafür sorgen, "dass einige Machenschaften der Geistlichkeit ans Tageslicht gelangen".
Zur Person
Mahmoud Ahmadinejad
(af) Als bescheidener Anwalt der kleinen Leute konnte Mahmoud Ahmadinejad im Jahre 2005 gegen seinen Herausforderer Akbar Rafsanjani punkten und wurde Präsident. Der 1956 im Teheraner Vorort Garmsar geborene, als eines von sieben Kindern aufgewachsene Sohn eines Schmieds meldete sich während des Iran-Irak-Krieges als Freiwilliger und trat 1986 den Revolutionsgarden bei. Seine politische Laufbahn begann als Bürgermeister der Städte Maku und Khoy in der Provinz West-Azarbaijan und als Gouverneur von Ardabil. In seiner Zeit als Bürgermeister Teherans bekam er den Beinamen "Robin Hood der Armen", da er sich vor allem für die Unterschicht einsetzte. Bis 2005 lebte der 1,54 Meter große Ahmadinejad in einer einfachen Drei-Zimmer-Wohnung im Osten Teherans und fuhr einen 30 Jahre alten Peugeot. Doch vom Robin-Hood-Image ist nicht viel übrig: Rund 70 Prozent Geldentwertung, eine hohe Arbeitslosigkeit und die Folgen der Sanktionen wegen dem Atomstreit sind neben seinen Hasstiraden gegen den Westen Teil der Bilanz seiner achtjährigen Präsidentschaft.