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Ein Leben im Dienst der Verfassung

Von Karl Korinek

Politik

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Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Univ. Prof. DDr.Dr. h.c. Ludwig Adamovich feiert am Samstag, den 24. August, seinen 70. Geburtstag.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Wiener Juristenfakultät, einer kurzen Gerichts- und Behördenpraxis in einer Bezirkshauptmannschaft beginnt Adamovich schon im Herbst 1956 seine Tätigkeit im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes. Dort wirkt er - mit der kurzen Unterbrechung seiner Professur an der Universität Graz - bis 1983, seit 1976 als dessen Leiter und seit 1977 als Sektionschef. Seit Anfang 1984 leitet Adamovich - als Nachfolger von Prof. Erwin Melichar - den Verfassungsgerichtshof.

Seit nunmehr 46 Jahren widmet Adamovich somit seine Arbeitskraft der Verfassung, präziser gesagt: der Verwirklichung der Verfassung. Dabei geht es ihm in besonderem Maße auch um die Entfaltung und Realisierung der Werte unserer Verfassung, der Demokratie, des Rechtsstaates und der Bundesstaatlichkeit, aber auch der Gerechtigkeit und der Grundsätze der Freiheit und Würde des Menschen. Adamovich sah und sieht nämlich das Verfassungsrecht nicht bloß als formales Gerüst, sondern auch als werterfüllte Grundlage für das menschliche Zusammenleben. In seinem Einsatz als Beamter, als Wissenschafter und akademischer Lehrer und - nicht zuletzt - als Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat er dies immer wieder unter Beweis gestellt.

Die rund 25 Jahre, die Adamovich im Verfassungsdienst wirkte, haben ihn stark geprägt: Er sah sich seiner Aufgabe, in der Unterstützung der Legistik, in verfassungsrechtlichen Gutachten und in verfassungsgerichtlichen Verfahren der Verfassung zu dienen ebenso verpflichtet wie der Aufgabe, dies als loyaler, korrekter und pflichtbewusster Beamter, als Beamter im besten Sinne des Wortes zu tun.

Frucht der akademischen Bemühungen Adamovichs sind eine Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen zu verschiedenen Bereichen der Allgemeinen Staatslehre und des Verfassungsrechts, Vorlesungen, Vorträge im In- und Ausland sowie die Mitgestaltung wichtiger Lehrbücher zum Staats- und Verwaltungsrecht. Durch die Verleihung zweier Ehrendoktorate, der Honorarprofessur an der Universität Graz und insbesondere der Ehrenmitgliedschaft der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fand diese Tätigkeit auch ihre entsprechende Anerkennung.

Als Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat er diesem Amt eine persönliche Prägung gegeben. Sie ist gekennzeichnet durch große Zurückhaltung im Prozess der Entscheidungsfindung, durch hohe Effizienz in der Führung der Justizverwaltung und durch großes Engagement bei der Repräsentation des Verfassungsgerichtshofes im Ausland:

Das Bemühen Adamovichs um volle Objektivität und sein Bestreben, auch den Anschein jeder Parteilichkeit zu vermeiden, führen dazu, dass sich Adamovich sehr zurückhält, wenn es um inhaltliche Fragen der Judikatur geht - im Gerichtshof ebenso, wie in öffentlichen Äußerungen, Vorträgen und privaten Gesprächen. Die Entscheidungen hat der Gerichtshof zu treffen und er möchte die Richterbank in keiner Weise beeinflussen oder gar präjudizieren.

Bei der Wahrnehmung der Agenden der Justizverwaltung hat Adamovich früh die Notwendigkeit erkannt, die Aufgaben automationsunterstützt zu bewerkstelligen: Ein mustergültig aufgebautes Gerichtskanzleisystem ermöglicht die Bewältigung des für ein Verfassungsgericht im weltweiten Vergleich unglaublich hohen Anfalls von im Durchschnitt drei bis viertausend Fällen im Jahr; die zweckentsprechende EDV-mäßige Ausstattung aller Arbeitsplätze und die Vollautomatisierung der Präsidialkanzlei sind weitere sichtbare Zeichen dieser erfolgreichen Tätigkeit.

Ein großes Anliegen ist es Präsident Adamovich, die Präsenz des österreichischen Verfassungsgerichtshofes als weltweit ältestes Verfassungsgericht mit konzentrierter Verfassungsgerichtsbarkeit zu sichern. Er tut dies, indem er immer wieder Einladungen zu besonderen Veranstaltungen ausländischer Verfassungsgerichte annimmt und dabei - in den letzten Jahren auch als Doyen der Präsidenten der Europäischen Verfassungsgerichte - Grußworte überbringt, Ansprachen hält, als Vorsitzender oder Referent an wissenschaftlichen Symposien teilnimmt und bei diesen Gelegenheiten viele bilaterale Gespräche führt. Dies ist ebenso wertvoll wie die regelmäßige Begegnung mit anderen Verfassungsgerichten, etwa dem Deutschen Bundesverfassungsgericht, dem Schweizerischen Bundesgericht, den Verfassungsgerichten in den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas, denen Adamovich im Aufbau große Unterstützung bot. Aber auch um regelmäßige Kontakte mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßbourg und dem Europäischen Gerichtshof der EG ist Adamovich erfolgreich bemüht.

Ludwig Adamovich hat sein Arbeitsleben in den Dienst der Aufgabe gestellt, der Verfassung zu umfassender Anerkennung und Durchsetzung zu verhelfen. Dafür dankt ihm aus Anlass seines 70. Geburtstags das offizielle Österreich, seine Kolleginnen und Kollegen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verfassungsgerichtshof und die Gemeinschaft der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht.

Unser Land ist Adamovich aber weit darüber hinaus zu Dank verpflichtet: Denn er hat in seiner ruhigen und pflichtbewussten Art und mit großem Gerechtigkeitssinn viel geleistet für die Erhaltung der rechtsstaatlichen Ordnung in unserer Heimat.

Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek ist Vizepräsident des VfGH