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Ein Leben ohne Schnee

Von Matthias Nagl und Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Einige Skigebiete haben den Betrieb aufgrund milder Temperaturen gestoppt.


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Salzburg/Wien. Wer sich aktuell durch die Wetterkameras der heimischen Skigebiete klickt, bekommt vor allem bei den Talabfahrten ein einigermaßen trostloses Bild serviert. Es dominieren weiße Bänder in einer grünbraunen Landschaft. Dieses Bild hat mit dem erhofften und von der Werbung verkauften Wintertraum mit Schneebergen wie Wattebäuschen praktisch nichts gemeinsam.

Doch man kann es auch anders sehen: Immerhin, das Geschäft läuft. Das gilt für den Tourismus genauso wie für den Ski-Weltcup, dessen Saison trotz eines bisher schneearmen Winters weitgehend von Absagen verschont blieb. So mancher Urlaubsgast mag über das Ambiente enttäuscht sein. Doch er bekommt dank künstlicher Beschneiung das, wofür er bezahlt: Skipisten.

Die Schneekanonen sorgen dafür, dass der Tourismus, der wichtigste Wirtschaftsfaktor im alpinen Raum, am Laufen bleibt. Darauf wies auch die Wirtschaftskammer Tirol am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit dramatischer Überschrift hin: "Ein Winter wie dieser wäre ohne technische Beschneiung ein Desaster für ganze Regionen." Medienwirksam lud man dafür in die Axamer Lizum, ein Skigebiet unweit von Innsbruck, das auf seiner Wetterkamera mit "besten Wintersportbedingungen" wirbt.

Schneekanonen können das Problem nicht lösen

Am Tisch saßen Seilbahner, Gemeindevertreter und Funktionäre der Skilehrer - um die Bedeutung für die Gesamtwirtschaft und Gesellschaft zu unterstreichen. Die Schneesicherheit kostet natürlich Geld. Rund 19.000 Schneekanonen sollen im vergangenen Winter in ganz Österreich im Einsatz gewesen sein. Laut einer Schätzung des Marktforschungsinstituts Manova investiert die österreichische Seilbahnindustrie in diesem Winter mehr als 500 Millionen Euro - rund 17 Prozent, also knapp 90 Millionen Euro davon, gehen in die Beschneiung.

"Beschneiungsanlagen sind die Basis für einen gesicherten Wintertourismus", sagt Franz Hörl, Obmann des Seilbahner-Fachverbands in der Wirtschaftskammer. Umweltorganisationen und alpine Vereine weisen jedoch regelmäßig auf die negativen Auswirkungen der intensiven Beschneiung hin. Über die Folgen und den Wasserverbrauch künstlicher Beschneiung tobt ein regelrechter Glaubenskrieg zwischen Touristikern und Umweltschützern.

Die künstliche Beschneiung war am Donnerstag auch auf einer anderen Pressekonferenz Thema, allerdings unter anderen Vorzeichen. Der ehemalige Präsident der österreichischen Hoteliervereinigung, Sepp Schellhorn, lud in sein Restaurant am Salzburger Mönchsberg, um seine jüngste Initiative vorzustellen. Nach einem kurzen - laut Schellhorn praktisch beendeten - Politik-Intermezzo bei den Neos will sich der Salzburger Hotelier den grundsätzlichen Fragen seiner Branche widmen.

Mit dem ehemaligen ORF-Redakteur Michael Kerbler hat er die Initiative "Kritischer Tourismus 2030" ins Leben gerufen. Sie versteht sich als Denkwerkstatt, "die über die Bedeutung, das Selbstverständnis und die Zukunft des Tourismus debattieren möchte". Eine der zentralen Zukunftsfragen für den Tourismus im Alpenraum ist die globale Erwärmung. Wie zum Beweis fand die Präsentation der Initiative in frühlingshaftem Rahmen bei zehn Grad Plus statt. Auch in Salzburg muss man den Schnee derzeit mit dem Fernrohr suchen.

Über die Konsequenzen dieser Entwicklung will sich die Initiative Gedanken machen. Setzt sich die Erderwärmung fort, werden auch heute noch schneesichere Gebiete wie die Axamer Lizum Probleme bekommen. "Wir müssen uns im Tourismus Gedanken machen, wie ein Winter ohne Schnee funktionieren kann", sagt Schellhorn.

Das Problem kurzfristig mit Schneekanonen gelöst zu haben, genügt Schellhorn nicht, auch wenn er ein Freund der künstlichen Beschneiung ist. "Ich bin dankbar, dass es Schneekanonen gibt, sie sind sehr wichtig. Doch was passiert, wenn es 2030 noch wärmer wird", fragt Schellhorn, der in Goldegg selbst ein Hotel betreibt.

Um derartige Fragen zu beantworten, will die Initiative Expertise von außen zukaufen. Schellhorn will auch mit der Agenda Austria, dem wirtschaftspolitischen Thinktank seines Bruders Franz Schellhorn, kooperieren. Auch in Sachen Geschäftsmodell ist dieser Thinktank Vorbild. Bisher finanziert der Hotelier die Initiative noch alleine. "Wenn wir entsprechend gute Arbeit leisten, glaube ich, dass wir Unterstützer finden", sagt Schellhorn.

Auch andere Themen wie die schwieriger werdende Suche nach Fachkräften und Fragen der Raumordnung soll die Initiative thematisieren. Dabei will sich Schellhorn vor allem auch an Branchenkollegen wenden, um dem Tourismus eine Imagepolitur zu verpassen. "Wir müssen bei uns selbst anfangen", sagt er.

Kurzfristige Buchungen und Tagesskifahrer fehlen

"Die Stimmung geht in die Richtung, dass Skifahren als Luxussport angesehen wird. Da müssen wir gegensteuern", warnt Rainer Ribing, Geschäftsführer der Tourismus-Bundessparte in der Wirtschaftskammer. Dass die Österreicher immer seltener Skifahren, stimmt laut Ribing nicht: Im Vorjahr wurde mit mehr als 50 Millionen Skitagen in Österreich eines der besten Ergebnisse in der Geschichte erreicht.

Das hilft aber nichts, wenn derzeit die Pisten vielerorts grün-braun statt weiß sind. "Ja, wir haben ein Schneeproblem. Ohne Beschneiungsanlagen hätte die Tourismuswirtschaft auch ein finanzielles Problem", sagt Tourismus-Bundesspartenobmann Johann Schenner.

Während Österreichs Top-Skigebiete im Jänner laut dem Wirtschaftskammer-Vertreter voll mit Gästen aus Osteuropa sind, belastet der fehlende Schnee niedriger gelegene Regionen, die bei den für Jänner hohen Temperaturen nicht beschneien können. Neben den Tagesskifahrern bleiben kurzfristige Buchungen aus. "Um die restlichen Betten zu füllen, fehlt die Winterstimmung in Wien, Berlin und München", so Schenner. Auch Gastronomiebetriebe, in denen Wintersportler normalerweise einkehren, verzeichnen weniger Gäste.

Aufgrund der milden Temperaturen sind beispielsweise alle Liftanlagen der Skischaukel Gaissau-Hintersee in Salzburg geschlossen. Die Forsteralm in Oberösterreich und der Jauerling in Niederösterreich haben mit 8. Jänner witterungsbedingt den Betrieb der Liftanlagen eingestellt. Am Hochkar und am Ötscher in Niederösterreich ist hingegen ein Großteil der Pisten und Lifte geöffnet - trotz Temperaturen von bis zu 10 Grad plus. Am Zauberberg Semmering waren am Donnerstag jedoch nur drei Pisten befahrbar - um Skifahrer anzulocken, werden Liftkarten um 30 Prozent ermäßigt angeboten.

Sogar in höher gelegenen Skigebieten wie Ischgl oder am Arlberg lagen die Temperaturen am Donnerstag auf knapp 3000 Höhenmeter noch im Plus. Die Wintersportler sind auf einer Kunstschnee-Decke unterwegs, die zum Teil mit kleinen Steinen bedeckt sind, die die Skier zerkratzen können.

Weiterhin ist kein Schneefall in Sicht

Ergiebiger Schneefall ist weiterhin nicht in Sicht. Schenner hält daher im Jänner ein Nächtigungsminus von zwei bis vier Prozent für möglich. Ein Plus gab es hingegen zum Start der Wintersaison im November: Die Nächtigungszahl stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,5 Prozent auf 4,23 Millionen, wie die Statistik Austria am Donnerstag mitteilte. Im Dezember hat das Weihnachtsgeschäft durch die günstig gelegenen Feiertage schon am 21. Dezember begonnen. Entscheidend sind aber Jänner und Februar, die für fast die Hälfte der Nächtigungen im Winter sorgen.