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Liebe Zeitreisende! Wenn Ihnen der Zeitreisenschreiber heute frohe, friedliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2004 wünscht, hat er ein Geschenk an die gesamte Gemeine dabei: Eine dritte Zeitreisen-Seite ab der Ausgabe vom 2./3. Jänner!
Diese Ausweitung - zu den beiden bisherigen Seiten gesellt sich Seite 22 - ist ein Kompliment, ein Dankeschön an Sie alle. Ihr beflügelndes Engagement, Ihr geballtes Wissen machten diesen Wachstumssprung möglich.
Ihr Schreiber musste in den letzten Monaten nur noch für die praktische Weichenstellung sorgen, was ein wenig Zauberkunst erforderte. Und Zeit. Die sich Ihr Cicerone nicht zuletzt bei der Zeitreisen-Korrespondenz abzwackte. Etliche Wochen hindurch erhielten nur Preisträger persönliche Schreiben. Anfragen, Anregungen blieben unbeantwortet; Dank gab's nur in gedruckter Kurzversion. Bitte um Weihnachtsamnestie für diese Notlösung!
In aller Form entschuldigt sich der Zeitreisenschreiber bei einem der Pioniere der Gemeine, bbei Herrn HR DI Wilhelm Heinich, Patentamt. Der unermüdliche Tüftler hinterlegte ein Sackerl mit ausgesuchten Unterlagen im "Wiener Zeitung"-Haus, erhielt aber keine Antwort. Irgendetwas ging gründlich schief. Diese Scharte soll heute mit dem verliehenen Sonderpreis ausgewetzt werden.
Zurück zur Seitenvermehrung: Die Gestaltung von Seite 24 bleibt unverändert. Seite 23 beherbergt in Hinkunft allein das HANDVERLESEN. Auf Seite 22 wandern HERAUSGELESEN und ZERLESEN, vor allem aber entsteht dort ein neues Eckerl - die von Zeitreisen-Mitarbeiterin Barbara Ottawa betreute Rubrik SPUREN GELESEN, die jede Woche einem Nussknacker für geschichtliche Recherche ein bisschen Raum bietet. Vorschläge bitte per Post (1040 Wien, Wiedner Gürtel 10), Fax (01/206 99-433) oder E-Mail (b.ottawa@wienerzeitung.at) an Kollegin Ottawa.
Damit von der unmittelbaren Zukunft ca. 130 Jahre zurück. Zu einer Weihnachtsgeschichte, die 1874 in der Abendausgabe der "Wiener Zeitung" erschien, aber 1873 spielte, als die 24 Teilnehmer der Österreichisch-Ungarischen Nordpolexpedition noch verschollen waren. Erst vor etwa 129 Jahren erfuhr die Welt, dass 23 von den Männern im arktischen Gebiet überlebt hatten. Mehr noch: Sie hatten geforscht und Franz-Joseph-Land entdeckt. Ihr Leben verlief geregelt. Sogar eine große Weihnachtsfeier 1873 gehörte zum Programm auf dem im Eis eingeschlossenen, mit einer Hilfsdampfmaschine ausgerüsteten Dreimastschoner "Tegetthoff". Nur eines fehlte: Ein Baum.
Die "WZ"-Spätausgabe "Wiener Abendpost" vom 24. Dezember 1874 schildert das Fest ein Jahr zuvor im Rückblick: Ein künstlich aus einer Raenstange (Rahe = Querstange am Mast für das Rahsegel) mit Querhölzern improvisirter Christbaum, der (...) der "grünen Blätter", doch der Lichtlein nicht entbehrte, erhob sich im Centrum der mit den österreichisch-ungarischen Flaggen geschmückten Schneewände des großen Mannschaftshauses.
Und weiter heißt es: Der tüchtig geheizte eiserne Ofen erfüllte den Raum mit behaglicher Wärme, einige von der Decke herabhängende Petroleumlampen, dann geschickt vertheiltes Kerzenlicht erhellten ihn festlich (...) Von den Armen des Christbaums blinkten silberne Uhren, Tabakspfeifen, Cigarrenspitzen, viele Päckchen echter "Virginias", dann zahlreiche andere kleine Gegenstände, welche bis dahin die große Kiste mit der Aufschrift "Zum Christ-abend" geheimnißvoll einschloß.
Man wollte sich Mut zusprechen, Zuversicht ausstrahlen. Die Mannschaft feierte bereits zum zweiten Mal Weihnachten im ewigen Eis und in der Monate währenden Polarnacht. Ihr Schiff war bereits seit 21. August 1872 unmanövrierbar, driftete mit den Eismassen.
Dass man auf Hoffnung setzte, belegt auch das schlichte Tagebuch, das Maschinist Otto Krisch (Kriz) trotz schweren Leidens führte. Er, der wohl schon in der Heimat an Tbc Erkrankte, der als Einziger nicht nach Hause zurückkehren sollte, schreibt zum 24. Dezember 1873: Abends 6 Uhr geht die ganze Mannschaft und Stab in den Schneepalast der Christbaum wird beleuchtet und die Geschenke vertheilt, ich konnte leider nicht beiwohnen da ich gerade im Fieber lag. Abends großes Festessen, wozu Bootsmann und Harpunir eingeladen hatten.
Außer dem norwegischen Harpunier besaßen alle an Bord die österreichische oder ungarische Staatsbürgerschaft, kamen aus der ganzen Monarchie. Lediglich in einem Punkt funktionierte das Zusammenleben der Nationen nicht: Pläne für Laientheater scheiterten am etwa halben Dutzend Muttersprachen.
Die relativ gute Moral half. Am 20. Mai 1874 gaben die Männer ihr Schiff auf, zogen bis 14. August Boote 560 km weit übers Eis, ruderten mit letzter Kraft bis Nowaja Semlja. Der russische Schoner "Nikolaj" brachte sie zurück nach Europa.
Wien feierte die Zurückgekehrten im September 1874 enthusiastisch. Niemand zweifelte an ihrem Entdeckerruhm. Erst 1876 stellte man zum Franz-Joseph-Land in den Niederlanden die These auf, schon um 1700 habe der Schiffer Cornelis Roule eine der Inseln betreten. 1930 tauchte die Behauptung auf, 1865 habe der norwegische Kapitän Nils Fredrik Rønnbeck die Inselgruppe gefunden. - Bis heute konnte keine dieser Theorien untermauert werden. Fast alles spricht dafür, dass die "Tegetthoff"-Männer die Ersten waren.