Auch für Politik gilt: Je ausgeklügelter, desto komplizierter. Manchmal erweist sich aber Einfachheit als Trumpf.
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Österreichs politische Grobmotorik weist bei Gott viele Nachteile auf. Das weiß keiner besser als die damit mittelbar und unmittelbar Befassten. Aber nach einer kurzen, doch intensiven Reise in die USA denke ich, dass es wieder einmal höchste Zeit ist für ein Loblied auf ihre Effizienz und Klarheit.
Natürlich degradiert Österreichs Variante des parlamentarischen Systems das Hohe Haus zu einer Abstimmungsmaschine mit maximal marginalem Eigenleben; selbstverständlich verspottet der Fraktionszwang das Verfassungsprinzip des freien Mandats; und ganz zweifellos kann von einer Kontrolle der Exekutive durch die Legislative nicht die Rede sein, ist doch die Mehrheit im Parlament in aller Regel lediglich der verlängerte Arm der Regierung.
Das sind schwerwiegende Mängel mit schwerwiegenden Folgen für die demokratiepolitische Qualität unseres Landes. Diese können sich allerdings auch als Vorteile erweisen, stellt man den Vergleich mit anderen Ländern, beispielsweise den USA, an.
Das System von Checks & Balances der Vereinigten Staaten gilt gemeinhin als vorbildlich. Die ausgeklügelte Feinmechanik kann allerdings auch zu einer fast vollständigen Selbstlähmung der US-Politik führen.
Ein Beispiel: Die US-Bürger haben Barack Obama vorigen Herbst mit deutlicher Mehrheit zu ihrem Präsidenten gewählt mit einer klaren politischen Agenda. Dazu zählen unter anderem eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems und der Klimapolitik. Allein, dem US-Präsidenten fehlt die Handhabe, sein Mandat auch in Gesetzesform zu gießen.
In Österreich wählen die Bürger den Nationalrat, dieser die Regierung - die Exekutive hat damit automatisch eine Mehrheit im Parlament zur Umsetzung ihres politischen Programms.
In den USA werden Präsident (alle vier Jahre), Abgeordnetenhaus (alle zwei Jahre) und Senat (sechsjähriges Mandat, ein Drittel alle zwei Jahre) getrennt gewählt. 2010 stehen damit bereits wieder bundesweite Wahlen an: Das gesamte Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats kämpfen um die Wiederwahl. Die Zeit für von Kampagnen-Überlegungen unbelastete Sacharbeit ist extrem kurz.
Hinzu kommt, dass sich der Senat bei entscheidenden Themen als ein schier unüberwindliches politisches Nadelöhr erweist, verlangen diese doch nach einer 60-Prozent-Mehrheit. Eine solche ist bei ihrer Natur entsprechend umstrittenen Themen so gut wie ausgeschlossen. Eine Minderheit erhält so eine wirksame Blockademöglichkeit.
Natürlich hat ein solcher Zwang zu Kompromissen auch vorteilhafte Aspekte, ein radikaler Kurswechsel in einzelnen Bereichen wird so jedoch unmöglich. Das politische System der USA ist auf Kontinuität angelegt.
Das gilt zwar auch für Österreich, allerdings übernehmen diese Rolle hierzulande Sozialpartner und Föderalismus. Beide entziehen sich dem Urteil der Wähler. Womit sich am Ende das US-System wiedereinmal doch als das demokratischere erwiesen hat.