Faymanns klares Nein zu Rot-Blau kann nicht uminterpretiert werden.
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Schattenboxen, Scheindebatten, Nebelgranaten. Die ersten vier Tage nach der Nationalratswahl lieferten wenig Erhellendes, was eine künftige Regierung angeht. Zwar hatte SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann damit spekuliert, möglichst rasch eine neue Regierung mit der ÖVP bilden zu können. Aber diese ziert sich und bringt die schwarz-blau-gelbe Karte ins Spiel.
Interessante Variante, wenn auch eine nicht realisierbare. Selbst den Schwarz-Blau-Reminiszenten dürfte klar sein, dass einer Regierung mit einer Truppe um Frank Stronach wenig Standfestigkeit beschieden ist. Da sind Festlegungen von in der Früh schon am Abend - wenn in Kanada Früh ist und Stronach eine neue Tagesorder ausgibt - nichts mehr wert; das geht hin bis zum ständigen Auswechseln der Akteure. Da kann man ÖVP-Obmann Michael Spindelegger nur "viel Vergnügen" wünschen. Es sei denn, die ÖVP schnupft die elf Stronach-Abgeordneten.
Aber auch auf der anderen Seite versucht man nun, mehr Spielraum zu gewinnen. Vor allem die sozialdemokratischen Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer in den Ländern entdecken plötzlich die ach so große Nähe zu Heinz-Christian Straches FPÖ. In Sozialfragen liege man doch gar nicht so sehr auseinander, heißt es. Oder: Ein schärferes Asylgesetz, als es Österreich hat, könne es kaum noch geben. Oder: Die meisten Gesetze würden ohnehin von der EU vorgegeben, sehr viel könnte die FPÖ in einer Regierung daher auch nicht anstellen.
Selbst wenn diese Einschätzung Richtigkeit hätte - was sie nicht hat -, ist eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ jetzt völlig undenkbar. Wer immer dies einbringt, ist ein Dünnbrettbohrer - wie einst an der Uni jene bezeichnet wurden, die gedanklich nur an der Oberfläche kratzten. Dem ist ein Zitat des deutschen Soziologen Max Weber entgegenzuhalten: "Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich."
Seit Franz Vranitzky schließt die SPÖ jede Zusammenarbeit mit der FPÖ aus. Dieses Brett ist daher sehr tief angebohrt. Und auch Kanzler Faymanns Credo ist völlig klar und in Stein gemeißelt: "Nicht mit der FPÖ." "Vor Schwarz-Blau kann man gar nicht genug warnen." "Ich möchte mit möglichst vielen Parteien zusammenarbeiten, aber der Herr Strache mit dieser Form der Hetze - damit will ich nichts zu tun haben." Die Zitate des Kanzlers gegen Strache könnten mehrere Kolumnen füllen.
Das kann niemand neu interpretieren. Wollen daher einige SPÖ-Hinterbänkler eine rot-blaue Regierung, müssen sie gleichzeitig einen neuen SPÖ-Vorsitzenden, der noch dazu diese geänderte Linie verfolgt, aus dem Hut zaubern. Einen Umbau an der Bundesparteispitze will aber niemand. Das Ganze ist daher nichts als ein Lüftchen im Wasserglas.
Für die Zukunft könnte eine Öffnung allerdings angedacht werden. Das muss nicht so weit gehen, dass die SPÖ eine Koalition mit den Blauen tatsächlich anstrebt, es geht einzig darum, eine Option offenzuhalten. Möglich, dass ein neuer Regierungsstil, der auch die legislative Gewalt des Parlaments stärker anerkennt, hier neue Formen der punktuellen Zusammenarbeit eröffnet. Diese Debatte bedingt aber programmatische und personelle Erneuerungen - nicht nur bei der Sozialdemokratie, sondern auch bei der Volkspartei. Schließlich muss diese neue Art des Regierens von allen mitgetragen werden.