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Ein Luftschloss namens Obergrenze

Von Robert Lackner

Gastkommentare
Robert Lackner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) an der Universität Graz.

Die heutige Asylpolitik erinnert frappant an das britische Vorgehen in Palästina im Jahr 1939.


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Höchstens 15.000 Neuankömmlinge pro Jahr. Nein, das war nicht der jüngste Asyl-Beschluss der österreichischen Bundesregierung, sondern das britische "White Paper" aus dem Jahr 1939, mit dem das Empire versuchte, den Zuzug von Juden ins damals ihm unterstellte Palästina zu beschränken. Die Intention dahinter war, die Araber, die sich von der zionistischen Zuwanderung bedroht fühlten, angesichts des sich abzeichnenden Konflikts mit den Achsenmächten ruhigzustellen.

Mit den meisten, die vor dem Nationalsozialismus fliehen mussten, verhielt es sich ähnlich wie mit den Vertriebenen heute. Geredet wurde viel, haben wollte sie keiner. Dies zeigte vor allem die Flüchtlingskonferenz von Évian im Juli 1938, die schockierend an das Verhalten der heutigen europäischen Politiker erinnert. Die Performance der internationalen Gemeinschaft war ernüchternd; statt aktiven Handelns dominierten Budgetdebatten, Schuldzuweisungen und Zuständigkeitsfragen.

Obergrenzen oder Richtwerte lösen keine Probleme. Das zeigt auch das "White Paper". Die Juden hielten sich nicht daran, die Briten konnten es nicht durchsetzen, und den Arabern war selbst die festgelegte Quote zu hoch. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Das völlig überforderte Empire zog sich überhastet und ohne Konzept aus Palästina zurück und überließ das Land den Streitparteien. Die Folgen dieses planlosen Agierens beschäftigen uns bis heute.

Auch die aktuelle Situation ist ein Produkt mangelnder Weitsicht. Denn überrascht von den Wanderbewegungen kann man ob der Perspektivlosigkeit in den Camps und Slums im Nahen Osten und des jahrelangen Flehens der UNO um mehr Geld nicht sein. Dass sich Menschen daher irgendwann in Bewegung setzen, ist nicht verwunderlich.

Ein pikantes Detail dazu am Rande: Noch im Jahr 2013 hatte die "Sicherheitsstrategie Burgenland" die Wahrscheinlichkeit eines Flüchtlingsstroms als niedrig und dessen Auswirkungen als begrenzt eingestuft.

Gelernt aus dieser misslungenen Vogel-Strauß-Taktik scheinen die europäischen Partner vorerst aber nicht zu haben. Denn auch der Türkei, die wie die UNO seit langem über Überlastung klagt, hat man die zugesagten Hilfsgelder einmal mehr wegen Uneinigkeit in Budgetfragen bisher nicht überwiesen. Statt sich also Gedanken darüber zu machen, wie man mit der 37.501. Person umgeht, die 2016 um Asyl in Österreich ansuchen wird, sollte man das Übel endlich an der Wurzel packen. Dazu zählt vor allem, den Menschen in den Krisenregionen vor Ort würdige Lebensbedingungen zu ermöglichen und den dort tätigen Hilfsorganisationen die nötigen finanziellen Mittel rasch und unbürokratisch zur Verfügung zu stellen. Ganz oben auf der Liste stehen allerdings die Beendigung des Konflikts in Syrien und der Wiederaufbau des Landes.

Es ist höchste Zeit, entschlossen zu handeln und über nationale wie ideologische Gräben hinweg einen konkreten Plan zu entwickeln, wie sich die verfahrene Situation nicht nur in Europa, sondern am Ausgangspunkt bewältigen lässt. Wer sich bloß hinter Zahlen versteckt und hofft, dass sich das Problem von alleine löst, dem droht ein böses Erwachen.