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In Bolivien legen zwei Oppositionsparteien bei den Regionalwahlen zu. Präsident Evo Morales darf nicht mehr antreten.
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Sucre. Für die sozialistische Regierungspartei "ist es ein Warnschuss. Es ist ein Bruch mit ihrer Hegemonie, denn La Paz war immer fest in ihren Händen", kommentiert der Politikexperte Eduardo Leaño das bolivianische Wahlergebnis. Denn während Präsident Evo Morales auf nationaler Ebene weiter dominiert und erst im Herbst 2014 wieder 60 Prozent der Stimmen eingefahren hat, scheint die bisher unangefochtene Vormachtstellung seiner sozialistischen Partei im regionalen Bereich gebrochen zu sein.
Diesen Sonntag wurden im 10-Millionen-Staat Gemeinde- und Regionalwahlen durchgeführt. Rund sechs Millionen Wähler waren aufgerufen, neun Gouverneure sowie 339 Bürgermeister und weitere örtliche Vertreter zu bestimmen. Die Opposition sicherte sich laut ersten Ergebnissen drei der neun Gouverneursposten. In vier Departements setzte sich die Bewegung zum Sozialismus (MAS) von Morales durch, in zwei weiteren kommt es zu einer Stichwahl.
Zwar stellt die Opposition schon seit 2010 den Bürgermeister der Stadt La Paz, der sich auch behaupten konnte. Teuer kommt aber für die Sozialisten der Verlust des Gouverneurs des Verwaltungsbezirk La Paz. Auch eine andere ehemalige sozialistische Hochburg ging verloren: In El Alto, der höhergelegenen Schwesternstadt von La Paz, kommt mit der Lehrerin Soledad Chapeton (34) die Mitte-Rechts-Partei Unidad Nacional (UN) an die Macht. UN ist vor mehr als zehn Jahren gegründet worden und konnte bisher nie ihr Image abschütteln, eine Partei zu sein, die nur auf die Interessensvertretung der Unternehmer bedacht ist. Denn schließlich war der UN-Parteigründer Samuel Doria Medina einer der mächtigsten Unternehmer des Landes und sein Konzern, der Zementhersteller Soboce, Hauptsponsor der Partei. Doch nachdem sich Doria Medina als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2014 wieder eine eher blutige Nase holte, verkaufte er seinen Anteil an dem Konzern, um sich nun "ganz der Politik" zu widmen.
Die Einnahme des Bürgermeister-Sitzes auf 4000 Höhenmetern in El Alto ist keine Kleinigkeit: Sie gilt als "Stadt der Rebellion", hier fand vor mehr als zehn Jahren die Entmachtung zweier Präsidenten ihren Ursprung, hier hatte der ehemalige Coca-Bauer und jetzige Präsident Morales von Anfang an eine starke Unterstützung.
Die Frage ist allerdings, ob in El Alto die Partei von Doria Medina für den Wahlsieg den Ausschlag gegeben hatte oder vielmehr die dort aufgestellte Kandidatin: Die sympathisch wirkende Lehrerin Soledad "La Sole" Chapeton, deren Großeltern indigene - aymarische - Bauern waren und deren Elterngeneration, wie der Großteil der Bevölkerung in El Alto, vom Land in die urbane Siedlung El Alto immigriert sind. Anders als Morales kleidet sich Chapeton nicht in den traditionellen Gewändern der Indigenen und spricht ihre indigene Sprache nicht fließend, da ihrer Eltern beschlossen hatten, sie vor allem auf Spanisch zu erziehen. "So sind wir eben, die in El Alto geboren worden sind, wir sprechen Spanisch, gemischt mit Aymara, wir lieben die Modernität, aber gleichzeitig sind wir stolz auf unsere Kultur", erklärte Chapeton im Wahlkampf gegenüber "El Pais".
Linke Opposition in La Paz
In der größten Stadt Boliviens, La Paz - die mit El Alto übrigens seit Herbst 2014 über die Seilbahnen der österreichische Firma Doppelmayr verbunden ist - konnte sich Amtsinhaber Luis Revilla von der ebenfalls oppositionellen Mitte-Links-Bewegung Sol.bo weiter behaupten. Sein neuer Parteifreund, Felix Patzi, konnte dafür das Regionalparlament von La Paz und damit den Gouverneursposten gewinnen. Dabei half Patzi wohl auch sein Bekanntheitsgrad als ehemaliger Minister in der ersten Regierungsperiode von Evo Morales. Patzi war schon vor Jahren Kandidat der sozialistischen Regierungspartei für den Gouverneurssitz von La Paz. Doch dann wurde Patzi betrunken am Steuer erwischt und von Morales’ Partei nicht weiter unterstützt.
1000 Lehmziegel zur Buße
Der Politikwissenschafter Patzi wurde daraufhin von einem indigenen Tribunal zwecks Rehabilitation zur Herstellung von 1000 Lehmziegeln verdonnert. Einer Strafe, die Patzi damals nach eigenen Worten gerne annahm, um den Präsidenten zu erweichen, ihm zu vergeben. Doch Morales blieb hart: Trunkenheit am Steuer eines Parteifreundes würde die Sache - nämlich Bolivien zu einem plurinationalen Staat umzukrempeln - gefährden. Deswegen gründete Patzi 2010 eine eigene Partei. Die war nicht erfolgsgekrönt. Nun fand Patzi offenbar in der Mitte-Links-Bewegung Sol.bo, die schon in La Paz den Bürgermeister stellte, seine neue Heimat, und entriss seiner ehemaligen Partei MAS den Gouverneursposten.
Warum Morales im Herbst 2014 zum dritten Mal in Folge ohne nennenswerte Konkurrenz zum Präsidenten gewählt worden war und seine Partei nun bei den Regionalwahlen dennoch eine solche Ohrfeige kassiert, erklärt der Politologe Leaño gegenüber der bolivianischen Tagezeitung "La Razon": "Morales kann sich 2019 (bei den nächsten Präsidentschaftswahlen, Anm.) nicht mehr zur Wahl stellen. Das bedingt das Auftauchen von neuen Führungsfiguren."
Patzi, der neue Gouverneur von La Paz, sieht das anders: Das Volk sei nie von seiner ehemaligen Partei respektiert worden. "Wie ich immer gesagt habe, die Partei hat das Volk wie einen kulturellen Idioten behandelt", der für MAS gewählt hätte, egal, welcher Kandidat ihm vorgesetzt worden sei.