Zum Hauptinhalt springen

Ein Mann für alle Fälle

Von Werner Reisinger

Politik

Erstmals in der Zweiten Republik steht ein FPÖ-Kandidat in einer Präsidentschafts-Stichwahl. Warten auf Norbert Hofer höhere Weihen?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Noch vor gut drei Monaten waren Politologen und Beobachter skeptisch: Egal, wen die FPÖ ins Rennen um die Hofburg schicke, er oder sie werde es schwer haben, es in die Stichwahl zu schaffen. Persönlichkeiten würden diesmal noch wichtiger sein als bei vorhergegangenen Wahlgängen, die regierungsfeindliche Stimmung unter den Wählern bringe unabhängigen Kandidaten und vermeintlichen Außenseitern höhere Chancen. Das Wahlergebnis zeichnet nun ein anderes Bild: 35,3 Prozent der Wähler (Hochrechnung inklusive Wahlkarten) gaben im ersten Wahlgang Hofer ihre Stimme. Denn die Themenlage im laufenden Wahlkampf, dominiert von Flüchtlingen, Terrorgefahr und erwähnter Unzufriedenheit mit den einstigen Großparteien, bescherten der FPÖ schon vor der Kandidatenentscheidung ein Umfragehoch in ungeahnter Höhe. Doch keine so schlechten Karten also für Heinz-Christian Straches Kandidaten.

Dementsprechend lange ließ sich der Parteichef Zeit mit der Entscheidung, wer kandidieren sollte. Lange war die Rede davon, die unabhängige Irmgard Griss zu unterstützen. Nach einem Hearing vor FPÖ-Spitzenfunktionären war den blauen Strategen aber schnell klar: Griss würde das angeschwollene blaue Wählerpotenzial nicht voll ausschöpfen können, zu liberal waren ihre Ansichten in den von der FPÖ besetzten Themenbereichen. Ursula Stenzel? Zu bürgerlich, zu wenig Bodenhaftung. Rechnungshof-Präsident Josef Moser galt für Journalisten lange als mögliche Option, sagte aber ab. Schließlich brachte sich sogar der Parteichef selbst ins Spiel - ein nicht ganz ernst gemeinter, aber die Umfragen weiter befeuernder Spin.

Norbert Hofer hatte eigentlich schon kurz vor dem Jahreswechsel abgewunken. Mit 44 Jahren sei er eindeutig zu jung für das Amt. Dabei hat Hofer, sieht man vom Alter ab, in vielerlei Hinsicht das nötige Profil für die Kandidatur. Als "Alibi-Liberaler" wurde Straches langjähriger Stellvertreter in den Medien immer wieder bezeichnet. Er gilt als einer der wenigen Pragmatiker in der Partei, und von FPÖ-typischen Scharfmachern wie dem EU-Abgeordneten Harald Vilimsky oder Barbara Rosenkranz, deren Kandidatur 2010 von ihren Äußerungen zur NS-Zeit geprägt war, hebt sich Hofer durch ein besonnen und verbindlich wirkendes Wesen ab. Berührungspunkte zu Rechtsaußen hat der 1971 im steirischen Vorau geborene und im burgenländischen Pinkafeld aufgewachsene Hofer aber allemal. Hofer ist seit langem Mitglied der "pennal-conservativen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld", einer schlagenden Verbindung mit streng deutschnationaler Ausrichtung.

2011 gab Hofer der NPD-Zeitschrift "Hier und Jetzt" ein Interview, die Plattform "Stoppt die Rechten" dokumentierte auch Aktivitäten in Internetforen, in denen sich Rechtsextreme, völkische Nationalisten und bizarre NS-Anhänger herumtreiben. Nach außen hin freilich ist Hofer immer um eine weiße Weste bemüht: Er war es, der nach den rechtsextremen Aussagen seines Tiroler Parteifreundes Werner Königshofer diesen zurechtwies.

Hofer trat selten ins grelle Licht der Öffentlichkeit, agierte stattdessen eher im Hintergrund und nahm sich arbeitsintensiven Aufgaben an. Er zeichnete für das neue Parteiprogramm verantwortlich, das 2011 beschlossen wurde. Hofers Ruf als Pragmatiker und freundliches Gesicht der Partei gründet auch auf seiner langjährigen Tätigkeit als FPÖ-Umweltsprecher. In dieser Funktion profilierte er sich als Atomkraftgegner - eine Haltung, mit der er die Mehrheit der Österreicher, unabhängig von der politischen Gesinnung, hinter sich wusste. Und als der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf, der jahrelang wegen seiner rechtsextremen Äußerungen und Verbindungen kritisiert wurde, sich schließlich wegen einer Stiftungsaffäre aus der Politik zurückzog, übernahm Hofer nach den Nationalratswahlen 2013 dessen Amt.

Und dort soll er auch bleiben, glaubt man langjährigen Parteifreunden Hofers wie Johann Tschürtz, dem burgenländischen FPÖ-Chef und Regierungspartner von Hans Niessls SPÖ im Burgenland. Eine bessere Aufgabe als diese gebe es für Hofer nicht, sollte er es nicht ins höchste Amt schaffen, beteuert Tschürtz. Hofer sei immer der Wunschkandidat Straches gewesen, sein später Entschluss anzutreten sei Hofers Gesundheitszustand (der passionierte Sportflieger leidet nach einem Unfall an einem inkompletten Querschnittssyndrom) geschuldet gewesen.

Zum ersten Mal seit 1945 steht nun ein FPÖ-Kandidat in der Präsidentschafts-Stichwahl. Der erfolgreiche Wahlkampf stellt für die FPÖ eine horizonterweiternde Erfahrung dar: Erstmals trug ein Kandidat, der nicht Strache heißt, selbständig eine Wahlkampagne, schöpfte das eigene Wählerpotenzial aus und erweiterte es erheblich. Gut möglich, dass hinter Hofers Kandidatur von Anfang an das Kalkül steckte, einen anschlussfähigen blauen Spitzenpolitiker für mögliche künftige höhere Weihen in Stellung zu bringen.

Der Wahlkampf hat Hofers Bekanntheit enorm gesteigert. Dass er sehr gut mit anderen Parteien kann, ist spätestens seit der Bildung der SPÖ-FPÖ-Koalition im Burgenland, an deren Zustandekommen Hofer maßgeblich mitgewirkt hat, bekannt. Seine Karriere hat erst begonnen.