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Ein Mann, ein Wort? Oder gilt eher: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern", ein Zitat, das gerne - und möglicherweise fälschlich - dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer zugeschrieben wird. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves hatte vor der Wahl noch gesagt: "Unter 30 Prozent ist eine eindeutige Niederlage, dann bin ich weg." Doch weg ist er trotz 29,29 Prozent nicht, Steirerblut ist also doch Himbeersaft.
Die Koalitionsverhandlungen zwischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und der FPÖ Burgenland sind ein noch klarerer Wortbruch. Ein Blick ins SPÖ-Statut: "§33: Höchstes willensbildendes Organ der SPÖ ist der Bundesparteitag." Und schon 2004 hat dieses höchste willensbildende Organ beschlossen, dass es keine Koalition mit der FPÖ geben darf. 2014 wurde die Ablehnung "auf allen politischen Ebenen" bekräftigt. Nachzulesen auf Seite 360 der Antragsmappe in Resolutionsantrag 14.01. Niessl würde sich also mit seinen rot-blauen Kuscheleien klar über Parteitagsbeschlüsse hinwegsetzen. Was sagt der SPÖ-Bundesvorsitzende Werner Faymann? Sinngemäß: Soll doch jeder machen, was er will. Leadership? Fehlanzeige. Innerparteiliche Demokratie? Kümmert den Kanzler und Parteivorsitzenden einmal mehr wenig.
Doch nun Rot-Blau, der Super-GAU: Damit bringt Niessl die SPÖ in eine unerquickliche Lage.
Es sei denn, der burgenländische Landeshauptmann ist ein verkanntes Spieltheorie-Genie und spult die "Madman-Strategie" Richard Nixons gekonnt herunter. Der damalige US-Präsident ließ nämlich in den späten 1960ern streuen, dass er irre genug sei, jederzeit auf den roten Knopf zu drücken - und so Moskau zum Einlenken im Vietnamkrieg zu bewegen. Die Taktik scheiterte, der Krieg in Vietnam ging noch fünf Jahre weiter. Spielt Niessl nur einen, der waghalsig genug wäre, mit der FPÖ zu koalieren, um bessere Karten in Verhandlungen mit der ÖVP zu haben? Nichts deutet darauf hin.
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Mit Rot-Blau im Burgenland hätte die SPÖ in Oberösterreich und Wien, wo im Herbst gewählt wird, nun ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem, wenn es darum geht, die Sozialdemokratie als Bollwerk gegen den Rechtspopulismus zu positionieren. Und dass Bürger den Politikern kein Wort mehr glauben, ist ihnen angesichts der Verhaltensmuster der politischen Klasse nicht zu verdenken.