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Ein Mann schlägt zwei Parteien

Von Brigitte Pechar

Europaarchiv

Der klare Sieger dieser EU-Wahl in Österreich heißt Hans-Peter Martin. Er konnte die Grünen auf Platz drei verweisen und erzielte wie diese zwei Mandate. Die Grünen haben österreichweit ihr bestes Wahlergebnis erzielt. Die FPÖ rasselte von 23 Prozent (1999) auf sechs Prozent und verlor vier ihrer bisher fünf Mandate. Die SPÖ schaffte dank dem Wiener Ergebnis wieder Platz eins und sieben Mandate. Die ÖVP legte zwar an Prozentpunkten zu, verlor aber ein Mandat und hat nun sechs. Die Vorzugsstimmen werden frühestens heute bekannt gegeben. Das amtliche Wahlergebnis steht erst am 29. Juni fest.


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Der Wahlkampf gestaltete sich von Beginn an zu einem untergriffigen Wortgeplänkel, Sachthemen waren kaum unterzubringen - vom Spesenrittertum über Sanktionsbrief bis hin zu Vaterlandsverrat und Pogromstimmung reichte die Wortwahl. Diese mit Schärfe geführte Auseinandersetzung konnte den ÖsterreicherInnen die - vor allem künftige - Bedeutung des EU-Parlaments nicht nahe bringen. Die Wahlbeteiligung ist mit 41,8 Prozent auf ein historisches Tief gesunken.

Nahezu ungetrübte Freude herrschte in der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße. Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer sprach von einem "sensationellen" Ergebnis angesichts des Antretens von Hans-Peter Martin, der ja 1999 noch SPÖ-Spitzenkandidat war, und der "Verleumdungskampagnen" von FPÖ und ÖVP. Spitzenkandidat Hannes Swoboda war die Erleichterung über den Wahlsieg ins Gesicht geschrieben. Er will nach der Regelung des Spesenthemas im Europaparlament den Kampf um die HPM-Wähler aufnehmen. Bundesgeschäftsführerin Doris Bures freute sich, dass seit 1983 bundesweit erstmals die schwarz-blaue Mehrheit gebrochen worden sei. Sie sieht in der EU-Wahl eine Denkzettelwahl für die Regierung.

Herrschte am späten Nachmittag noch Euphorie in der ÖVP-Zentrale, wandelte sich diese Erleichterung und Freude. Schließlich wurde man zwar Zweiter, aber es war keine Niederlage wie bei den vergangenen Landtagswahlen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Auswirkungen auf die Koalition sieht er nicht, schließlich sei über Europa abgestimmt worden, "nicht über eine Regierungsumbildung". "Hochzufrieden" war auch Spitzenkandidatin Ursula Stenzel. Sie sieht auch "Chancen" für Schüssel, EU-Kommissionspräsident zu werden.

Ungetrübter Jubel herrschte in einem Weinlokal im Zweiten Bezirk, wohin Martin gebeten hatte. "Jetzt geht´s erst richtig los", kündigte der Wahlsieger an, im EU-Parlament für Kontrolle zu sorgen. Der Einzelkämpfer zeigte, dass man auch ohne Partei auf Anhieb Dritter werden kann. Martin sieht darin einen "Sieg der mutigen Bürger". Er verteilte auch schon Aufgaben an Karin Resetarits, die mit ihm nach Brüssel und Straßburg gehen wird. Sie wird den Tierschutz übernehmen. Das aus dem sparsamen Wahlkampf verbliebene Geld will Martin für Jugendprojekte verwenden.

Jubel herrschte auch bei den Grünen: Vier Wahlziele seien erreicht worden, betonte Bundesgeschäftsführer Franz Floss: Zwei Mandate erreicht, auf nationaler Ebene erstmals ein zweistelliges Ergebnis, die FPÖ überholt und ein Wahlkampf mit europapolitischen Themen geführt.