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Ein medienpolitischer Skandal

Von Andreas Babler

Gastkommentare
Andreas Babler ist Klubvorsitzender der SPÖ und Bundesrat.

Die SPÖ wird Wege suchen, um die "Wiener Zeitung" zurückzuholen.


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In wenigen Tagen erscheint das letzte Mal eine gedruckte Ausgabe der "Wiener Zeitung". Nach unglaublichen 320 Jahren muss die älteste Tageszeitung der Welt aufhören, weil ihr die türkis-grüne Regierung die Finanzierung entzogen hat. Dieses kaltschnäuzige Aus für eine Tageszeitung, die der Republik - also uns allen - gehört, die sich dem seriösen Qualitätsjournalismus verschrieben hat, die unabhängig von ökonomischen Interessen arbeitet, ist ein medienpolitischer Skandal, den ich nicht akzeptieren kann und werde.

Auch kulturpolitisch ist das Aus der ältesten Tageszeitung der Welt geschichtsvergessen und für Österreich zum Schämen: Wer würde zum Beispiel die Nationalbibliothek zusperren, weil es das Internet gibt? Österreich muss stolz sein, ein Kulturgut wie die "Wiener Zeitung" sein Eigen zu nennen. Eine Zeitung, die seit dem 8. August 1703 - damals noch als "Wiennerisches Diarium" - erscheint, über alle gewaltigen Umbrüche der vergangenen Jahrhunderte berichtet hat, die vielfältige Wandlungen durchlebte, manchmal näher an der Macht, manchmal ferner, manchmal freier, manchmal zensiert. Aber eines hat sie jedenfalls geleistet: Sie hat in ihrer jahrhundertelangen Geschichte die kritische Medienöffentlichkeit mitbegründet und dadurch auch ermöglicht.

Besonders in den vergangenen Jahren war die Zeitung ein Fels des seriösen Qualitätsjournalismus in einer medienpolitischen Brandung geprägt durch türkise Message Control, ökonomischen Druck, Konkurrenz durch Internet-Giganten und Social Media sowie Desinformation und Fake News. Obwohl sich schon abzeichnete, dass ÖVP und Grün ihr Aus besiegeln wollen, hielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in den letzten Monaten unbeirrt ihren Kurs eines unabhängigen und unaufgeregten Journalismus . Die "Wiener Zeitung" war eine Zeitung, die sich gegen die versuchte Medienkontrolle der ÖVP gestellt hat, und dafür gebührt der Redaktion unser aller Dank. Aber offensichtlich musste sie dafür auch büßen.

Dies hat die Sozialdemokratie seit Monaten heftig bekämpft. Besonders unverständlich ist, dass vorhandene Alternativkonzepte, um die "Wiener Zeitung" weiterzuführen, von der zuständigen ÖVP-Medienministerin nicht einmal geprüft wurden.

Hier zeigt sich ein Verständnis von Politik, das überwunden werden muss: Argumente werden missachtet, Warnungen und Einwände von Expertinnen und Experten, aus der Zivilgesellschaft und aus der Wissenschaft ignoriert. Dabei gab es hunderte Stellungnahmen zum Gesetz über das Ende der "Wiener Zeitung". Der eindeutige Tenor: Stabile Demokratien brauchen unabhängigen, vielfältigen und seriösen Journalismus, damit Bürgerinnen und Bürger Zugang zu verlässlichen Informationen haben, auf Basis derer sie zukunftstaugliche Entscheidungen treffen können.

Die aktuelle Medienpolitik von ÖVP und Grünen hat dieses Ziel offenbar nicht im Blick. Im Gegenteil - man muss leider Absicht vermuten, wenn in Zeiten, in denen der Qualitätsjournalismus ohnehin unter massivem Druck steht, eine seriöse Tageszeitung zugesperrt wird. Wenn die Sozialdemokratie wieder Regierungsverantwortung trägt, dann werden wir Mittel und Wege suchen, um die "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung zurückzuholen.

Nächsten Dienstag lesen Sie an dieser Stelle zum letzten Mal den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.