Nach dem Erdrutschsieg des Newcomers Miro Cerar steht Slowenien vor einer schwierigen Regierungsbildung.
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Ljubljana. "Ich bin kein Messias", sagte Miro Cerar, der Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen in Slowenien. Doch einen solchen haben die Slowenen in dem Rechtsprofessor wohl gesehen. Mit knapp 35 Prozent der Stimmen gelang ihm am Sonntag das zweitbeste Ergebnis, das eine Partei bei Wahlen im unabhängigen Slowenien erzielen konnte. Es ist ein Erdrutschsieg.
Der 50-Jährige, dessen erst vor sechs Wochen gegründete Partei schlicht "Partei von Miro Cerar" heißt, ließ die Konkurrenz weit abgeschlagen zurück. So kam die rechtskonservative Demokratische Partei (SDS) des wegen Korruption verurteilten und inhaftierten Ex-Premiers Janez Jansa auf 20 Prozent der Stimmen. Ins Parlament ziehen die Pensionistenpartei Desus mit zehn Prozent, die neu gegründete Partei Vereinte Linke und die Sozialdemokraten mit jeweils knapp sechs Prozent ein, sowie die Partei der bisherigen Ministerpräsidentin Alenka Bratusek (ZAAB), die auf 4,3 Prozent kam. Die christdemokratische Partei Neues Slowenien (NSi) kam auf 5,5 Prozent.
Wie auch bei den vorgezogenen Wahlen 2011, als das erst neu formierte "Positive Slowenien" des Laibacher Bürgermeisters Zoran Jankovic die politische Bühne stürmte, gewann wieder ein kompletter Newcomer. Indem die etablierten Parteien abgestraft wurden und gleich drei von nun insgesamt sieben Parlamentsparteien Neugründungen sind, machten die Wähler klar, dass sie radikale Veränderungen wünschen. Der in bisherigen Wahlkämpfen gepflegten Spaltung der Gesellschaft zwischen links und rechts - wobei noch immer die alte kommunistische Elite aus der Zeit Jugoslawiens, die so genannten Onkel im Hintergrund, die Fäden zogen - wurde bei dieser Wahl eine Absage erteilt. Denn die wirtschaftliche Misere im Land, Korruptionsaffären und politischer Stillstand setzten sich in den vergangenen Jahren fort, für ideologische Spielchen fehlte den Slowenen offenbar der Nerv.
Cerar, der sowohl im sozialliberalen wie auch im konservativen Wählerspektrum zu Hause ist, betonte im Wahlkampf stets die Wichtigkeit eines stabilen Rechtsstaates, sprich Korruptionsbekämpfung. Was ihm seine Kritiker am meisten anlasteten, ist das Fehlen eines konkreten Konzeptes. Indem er bis zum Schluss "im Nebel" erschien, wie es ein slowenischer Kommentator nannte, war Cerar für viele wählbar. Doch was am Wahltag vielleicht der größte Vorteil war, gilt am Tag danach bereits als großes Hindernis. Slowenische Medien konnten nicht einmal über künftige Minister spekulieren und stellten die Fähigkeit des Politneulings in Frage, Slowenien überhaupt regieren zu können.
Rechte plant Parlamentsboykott
Vor Cerar, dessen Partei sich 36 von 90 Sitzen im Parlament sichern konnte, stehen nun zähe Verhandlungen für die Mehrheitsfindung im Parlament. Als Koalitionspartner kamen bisherigen Berichten zufolge die Pensionistenpartei des jetzigen Außenministers Karl Erjavec und die Sozialdemokraten in Frage. Welche Rolle die konservative NSi und das Bündnis von Alenka Bratusek übernehmen könnten, bleibt abzuwarten. Politisch stabiler ist Slowenien nach diesen Wahlen jedenfalls nicht. Die Situation könnte sich verschärfen, wenn Jansas SDS, die die Wahl nicht anerkennen will, ihre Drohung wahr macht und die Parlamentsarbeit boykottiert. Um eine stabile Mehrheit im Parlament zu haben, wurde Cerar geraten, kein reines Links-Bündnis zu bilden, sondern auch eine konservative Partei ins Boot zu holen. Da der Jurist eine Zusammenarbeit mit Jansa, der sich im Gefängnis als Opfer der Justiz inszeniert hatte, ausgeschlossen hat, kommt nur das Neue Slowenien in Frage.
Eine große Unbekannte bleibt auch die Wirtschaftspolitik des künftigen slowenischen Premiers. Sloweniens Kurzzeit-Ministerpräsidentin Bratusek hatte mithilfe der EU-Kommission erfolgreich die Sanierung der Banken begonnen und 15 Staatsunternehmen für die Privatisierung auserkoren, um Sloweniens Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Cerar hatte jedoch durchblicken lassen, dass er von Privatisierungen strategisch wichtiger Unternehmen, etwa der Telekom und des Flughafens Ljubljana, wenig hält. Er wird also nicht nur mit seinen Koalitionspartnern eine gemeinsame Sprache finden müssen, sondern auch mit Brüssel.