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+++ Fairtrade wird zunehmend Thema. | Statt Kritik am Handel: Kooperation. | Wien. Der Medienrummel blieb nicht aus: Auf dem Opernball wird es keine fair gehandelten Rosen geben, kritisierten Vertreter einer Nichtregierungsorganisation. Nach wochenlangen Diskussionen beschloss Opernball-Organisatorin Elisabeth Gürtler, dass es überhaupt keine Rosen zu sehen geben wird.
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Der faire Handel aber war mehr als sonst Thema in den heimischen Medien - ähnlich wie vor wenigen Monaten in Großbritannien. Dort sitzt seit Herbst der Feind mit im Boot. Der Schweizer börsenotierte Konzern Nestlé bietet nun eine Kaffeesorte an, die "fair gehandelt" ist. Große Konzerne waren für viele der Fairtrade-Bewegung ein rotes Tuch - und sind es für manche noch immer: Sie seien für eine Art von Handel verantwortlich, die zu Lasten von Produzenten und Umwelt gehe, lautet der Vorwurf.
Die Non-Profitorganisation Fairtrade vermittelte Nestlé wie allen interessierten Unternehmen ihre Produzenten - meist Kleinbauern, die in einer Kooperative arbeiten. Dafür darf Nestlé das Fairtrade-Logo auf die bestimmte Kaffeesorte kleben. Diese gilt damit gänzlich als "fair".
Papierkrieg für Fairness
Ein halbes Kilo "unfairer" Kaffee ist im Supermarkt ab 2,50 Euro zu haben. Um diesen Preis bekommen Konsumenten zwar nicht einmal ein Viertel Kilo fair gehandelten Kaffee, dafür aber das Versprechen, dass die Produzenten von ihren Einnahmen leben können. Die Bauern haben sich im Gegenzug an klare Regeln zu halten. Und das bedeutet Mehrarbeit, die Oliver Fröhling "Papierkrieg" nennt. Fröhling arbeitet im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca mit einer Kaffeekooperative zusammen. Die Bauern müssen den verschiedenen alternativen Wirtschaftsorganisationen in den USA und Europa exakt dokumentierte Rechenschaft über ihre Tätigkeiten ablegen. "Für die Bauern geht es darum, möglichst viele Stempel zu bekommen: Fairtrade, bio, organic, bird friendly. Der Bauer macht, was ihm gesagt wird", sagt Fröhling. Denn der Weltmarktpreis, der an den Börsen von New York und London ermittelt wird, deckt weltweit für viele Kaffeebauern nicht einmal die Anbaukosten. Sinken die Preise, entlassen Plantagenbesitzer entlassen Arbeiter. Jenen, die in Kooperativen für die Alternativ-Märkte produzieren können, geht es besser. Sie können mit einem fixen Mindestpreis rechnen.
"Fairtrade ist ein Mikrokosmos innerhalb der Wirtschaft", sagt Stefan Kerl, Pressesprecher der Clean Clothes Kampagne (CCK) für faire Arbeitsbedingungen. Ein Mikrokosmos, der den Anspruch erhebt, selbst ein Kosmos zu werden.
Das macht die CCK nicht. "Konzerne wie Nike oder Puma haben ihre Zulieferbetriebe. Wir bieten keine Alternativen an. Wir wollen aber, dass sich die Zulieferbetriebe an bestimmte Mindeststandards halten", sagt Kerl. Das sind in erster Linie die Arbeitsnormen der International Labour Organization, der UN-Organisation für Arbeit. "Wir können für einen einzelnen Nike-Schuh keine Garantie abgeben, dass er fair gehandelt wurde. Aber wir können sagen: Der Konzern Nike befindet sich auf dem richtigen Weg, lässt stichprobenartige, unabhängige Kontrollen zu", sagt Kerl.
Die einen wollen Verbesserungen, die anderen ein neues System. Beider Engagement nimmt Einfluss auf die Art des Handels. Nach und nach soll niemand mehr auskommen, Unternehmen nicht und Konsumenten nicht. Dann soll Wirtschaften "fair", zumindest "fairer" als heute sein.
"Wenn ein Konzern wie Chiquita heute überlegt, die Produktionsbedingungen zu ändern, dann ist schon mehr Veränderung geschehen, als wir vor 25 Jahren zu denken vermocht haben", sagt ein Pionier des alternativen Handels. "Wir geben vielen Konzernen eine Benchmark, an der sie sich orientieren müssen", sagt Fairtrade-Österreich-Geschäftsführer Georg Gruber. Die Nachahm-Aktionen würden dazu führen, dass sich die Auswirkungen des Welthandels für Produzenten und Umwelt bessern.
Spielregeln gefordert
Von den Unternehmen selbst festgelegte Verpflichtungen sind vielen nicht genug. Sie fordern rechtlich verbindliche Regeln, die faires Wirtschaften garantieren. Doch das liege auch in der Verantwortung der Länder, sagt Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut: "Die demokratischen Kräfte müssen sicherstellen, dass steigender Wohlstand nicht bei ein paar Firmen oder Familien hängen bleibt." Die offene Kritik an politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen trat in der Fairtrade-Bewegung in den vergangenen Jahren in den Hintergrund. Nicht alle sind mit der gemäßigten Gangart einverstanden. Doch an Diskussionen sei man gewöhnt, sagt eine Beteiligte und ergänzt: "Wir müssen uns immer wieder überlegen, in welche Richtung der Zug fahren soll."
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Der Mann hinter Fairtrade