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Ein Minderheitenprogramm?

Von Ina Weber

Politik

SPÖ kritisiert zu hohe Kosten. | Beschluss mit Stimmen der Grünen. | Wien. Der Nationalrat wird am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungsparteien und den Grünen das Patientenverfügungsgesetz (PatVG) beschließen. Die Sozialdemokraten werden nicht mitstimmen. Der Gesetzesentwurf sei "mangelhaft und problematisch", meinte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Jeder sollte eine Patientenverfügung abschließen können. Und jeder sollte sich diese auch leisten können, fordert er.


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Der Ruf nach einer Patientenverfügung - der Patient kann bestimmen, wie er in seiner letzten Lebensphase medizinisch behandelt werden will - wurde spätestens nach dem Fall Terry Shiavo in den USA auch in Österreich wieder lauter. Eltern und Ehemann stritten um das Leben bzw. um das Entfernen der Magensonde der seit Jahren im Koma liegenden Patientin. Die Sonde wurde schlussendlich entfernt.

Mit dem neuen Gesetz wird der Patient die künstliche Ernährung - die Magensonde - als medizinische Maßnahme ablehnen können. Im Entwurf blieb die künstliche Ernährung von der Patientenverfügung noch ausgeklammert.

Nach Schätzungen von Heinz Barta, Universitätsprofessor an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Institut für Zivilrecht), existieren derzeit etwa 100.000 Patientenverfügungen in Österreich. Mit dem neuen Gesetz würden diese nur noch als "beachtlich" angesehen, also lediglich als "Orientierung".

Strenge Form soll vor Missbrauch schützen

Bisher konnten Patientenverfügungen über Hospizeinrichtungen oder Patientenanwälte abgeschlossen werden. Sie fanden Beachtung, waren aber für den Arzt nicht verpflichtend. In der ethischen Frage nach einem selbstbzw. fremdbestimmten Tod versucht die Regierung nun mit dem Gesetz einen Mittelweg zu finden. Damit anerkennt sie zwar die Notwendigkeit, den Patienten mehr Selbstbestimmungsrechte über ihr Lebensende zuzugestehen, baut aber Hürden ein. Um eine Patientenverfügung abschließen zu können, sieht die Regierungsvorlage einen verpflichtenden Arztbesuch vor. Der Patient muss die Folgen der Verfügung einschätzen können, "etwa weil sie sich auf eine Behandlung bezieht, die mit einer früheren oder aktuellen Krankheit des Patienten oder eines nahen Angehörigen zusammenhängt".

Die Diskussion entzündet sich an dem Wort "etwa". Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat interpretiert, dass damit nur eine Beispielhaftigkeit vorliegt; andere in der ÖVP leiten daraus eine Verpflichtung ab. Ein gesunder Mensch, der die Folgen nicht abschätzen kann, könne keine Verfügung abschließen, hieß es aus dem ÖVP-Klub.

Die Zugänglichkeit für jeden ist aber Voraussetzung für die Grünen, dem Gesetz zuzustimmen. "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung", meinte Kurt Grünewald, Grünen-Gesundheitssprecher. Vielen innerhalb der ÖVP würde dieses Gesetz zu weit gehen, meinte er. Die Grünen hätten die Autonomie noch stärker verankert wissen wollen. Die Kosten seien auch ein "Wermutstropfen".

Neben der Arzt-Visite benötigt der Patient eine Beglaubigung durch einen Notar, Rechtsanwalt oder Patientenvertreter. "Das können sich viele nicht leisten", deshalb lehne die SPÖ dieses Gesetz ab, so Jarolim. Zu viele Hürden, ein Minderheitenprogramm. Die Formalerfordernisse dienen dazu, "um Missbrauch hintan zu halten", hielt ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter dem entgegen.