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Höchststand bei Arbeitslosenrate: Zahl der Menschen ohne Job Ende 2012 auf mehr als 26 Millionen gewachsen.
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Brüssel. Es wird einfach nicht besser. Das muss sogar die ansonsten meist um Optimismus bemühte EU-Kommission einräumen. Steigende Arbeitslosenzahlen, schrumpfende Einkommen, eine sich verschlechternde soziale Lage: Die Bilanz für das vergangene Jahr fällt keineswegs positiv aus. "2012 war ein weiteres miserables Jahr für Europa", sagte denn auch Sozialkommissar Laszlo Andor bei der Präsentation eines Berichts zur Beschäftigung und sozialen Entwicklung. Und dass sich die Situation heuer wesentlich verbessere, sei unwahrscheinlich.
Unerwünschte Bestätigung für sein Resümee erhielt Andor durch die aktuellste Veröffentlichung der Statistikbehörde Eurostat. Demnach trieben Konjunkturflaute und Schuldenkrise die Arbeitslosigkeit vor allem in der Eurozone auf den nächsten Höchststand: Im November des Vorjahres hatten dort 18,8 Millionen Menschen keinen Job - 113.000 Menschen mehr als im Monat davor und zwei Millionen mehr als vor einem Jahr. In der gesamten EU waren etwas mehr als 26 Millionen Menschen arbeitslos. Das sind fast elf Prozent.
Es war bereits der vierte Monat in Folge, in dem die Arbeitslosenquote den nächsten Rekordwert erreichte. Und wieder sind es die Jugendlichen, die davon am meisten betroffen sind. Jeder vierte Unter-25-Jährige in der EU ist ohne Job. In Spanien geht mehr als die Hälfte der Jugendlichen keiner Beschäftigung nach; in Griechenland sieht es ähnlich aus. Kaum besser sind die Jobperspektiven in Portugal, Italien oder der Slowakei.
Weniger Geld für Haushalte
Am anderen Ende der Tabelle steht Österreich. Das Land weist die niedrigste Zahl der Arbeitslosen generell und die zweitniedrigste - nach Deutschland - bei den Jugendlichen ohne Job auf: Es sind 4,5 und 9 Prozent.
So sind gerade in der Eurozone die Unterschiede am sichtbarsten. Doch der Sozialbericht der EU-Kommission zeigt auch andere Bereiche auf, in denen die EU-Staaten auseinanderdriften. Während etwa in Österreich oder Luxemburg knapp 17 Prozent der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren, waren es fast die Hälfte der Bulgaren und knapp ein Drittel der Griechen oder Ungarn. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Kluft im Vorjahr noch vergrößert hat: Der Bericht umfasst Zahlen bis 2011.

Differenzen gab es ebenfalls bei der Entwicklung der Bruttorealeinkommen der Haushalte. Die stärksten Rückgänge spürten Familien in Griechenland, Spanien und Zypern. In Deutschland, Polen und Frankreich hingegen konnten die Gesamteinkommen laut EU-Kommission "aufgrund der Sozialfürsorgesysteme und der widerstandsfähigeren Arbeitsmärkte" weiter steigen.
Dieser drohenden sozialen Spaltung zwischen dem Norden und Süden Europas müsse entgegengewirkt werden, plädierte Andor. Doch seien die Instrumente dafür von Land zu Land unterschiedlich. Vorschläge dafür will die Brüsseler Behörde in den kommenden Wochen liefern: mit einem Maßnahmenpaket zur Stärkung des Humankapitals und des sozialen Zusammenhalts.
Plädoyer für Mindestlöhne
Zumindest eine Idee dafür haben die Sozialdemokraten, denen Andor nahesteht. Die Präsentation des Berichts der Kommission nahmen sie zum Anlass, einmal mehr auf ihre Forderung nach Mindestlöhnen zu verweisen. Ein "gut überlegtes System von Mindestlöhnen auf nationaler Ebene" sei keine Bedrohung für Arbeitsplätze, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda. Stattdessen verringere es die Gefahren, in Armut abzurutschen so wie die Kosten für Sozialhilfe.
Die Wichtigkeit von "Schwellen", unter die Einkommen nicht fallen sollten, betont ebenfalls Andor. Löhne seien nämlich nicht nur ein Kostenfaktor für Unternehmen, sondern auch das Geld, mit dem die Menschen Waren und Dienstleistungen kaufen - und damit wiederum Firmen unterstützen.
Dennoch verteidigte auch der Sozialkommissar die Sparmaßnahmen, die die EU-Mitglieder - nicht zuletzt auf Geheiß Brüssels - ergreifen mussten. Um Haushaltskonsolidierung kommen die Staaten nicht herum, meinte Andor. Die soziale Dimension dürfe allerdings nicht vergessen werden. Diese zu vernachlässigen würde nämlich auch wirtschaftliche Einbußen bringen, warnen bereits etliche Ökonomen. Derart hohe Arbeitslosenquoten wie in Griechenland oder Spanien könne keine Volkswirtschaft über längere Zeit verkraften. Ebenso wenig leisten könne sich Europa eine verlorene Generation: Das aber könnten die Millionen Jugendlichen ohne Job sein.