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Ein Missverständnis reicht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Drohungen mit dem atomaren Erstschlag; die Ankündigung eines massiven Gegenschlags als Reaktion; Verlegung von Kampfjets und das Abhalten von Truppenmanövern quasi in Sichtweite des Gegners; und schließlich die (einseitige) Ausrufung des Kriegszustands.

Der Konflikt mit Nordkorea wirkt wie aus der Zeit gefallen. In den vergangenen Jahren haben wir, wenn es um die Analyse internationaler Konflikte ging, mühsam Begriffe wie Machtdiffusion und den Aufstieg neuer, nichtstaatlicher Akteure auf der internationalen Bühne - von islamistischen Terroristen bis hin zu Menschenrechtsorganisationen - gelernt, wurde uns vom Ende klassischer Kriege zwischen Staaten erzählt und vom Auftrag zur humanitären Intervention. Und dann katapultiert uns die als wirrer Rundumschlag getarnte Strategie der kommunistischen Diktatur in Pjöngjang zurück in die Rhetorik des Kalten Krieges.

Zeitgemäß an diesem Konflikt ist allein die Angst, die alle Beteiligten eint: die Furcht vor den Konsequenzen eines unkontrollierten Zusammenbruchs, vor einem "failed state" mit geschätzten 25 Millionen Einwohnern und dem höchstwahrscheinlichen Know-how für den Bau einer Atombombe; nicht irgendwo im Hindukusch oder in Afrika, sondern mitten in einer Region, wo die Interessen und Grenzen Chinas, Russlands und - via Südkorea und Japan - der USA aufeinanderprallen. Nordkorea, das ist "Old style"-Sicherheitspolitik par excellence.

Entsprechend altmodisch ist das Mittel, mit dem versucht wird, eine Eskalation zu verhindern: Abschreckung. Deren Glaubwürdigkeit beruht auf der Logik, wonach die Kosten eines Angriffs die daraus möglicherweise resultierenden Vorteile mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übersteigen. Genau darauf setzt auch das Regime in Nordkorea (genauso wie der Iran), indem es mit aller Macht auf eine eigene Atombombe hinarbeitet.

In einer perfekten Welt mit perfekt rationalen Akteuren ist das keine schlechte Konstellation für Stabilität, das heißt die Abwesenheit von Krieg. Unter weniger perfekten Umständen mit weniger perfekten Akteuren stellt eine Seite eine Fehlkalkulation an, mitunter reicht auch schon ein kleines Missverständnis, damit die Idee der Abschreckung in einen Waffengang mündet.

Das ist das Risiko, mit dem derzeit in Nordkorea gespielt wird.