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Ein Mobbing-Opfer klagt die Republik

Von Bettina Figl

Politik

Erstmals in Österreich: Eltern eines Schülers aus Vorarlberg machen Schule für Mobbing verantwortlich und klagen Republik auf Schmerzengeld.


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Feldkirch/Bregenz. Kann die Republik für Mobbing zur Verantwortung gezogen werden? Diese Frage stellt sich anlässlich eines Mobbing-Prozesses, der am Mittwoch am Landesgericht Feldkirch begonnen hat.

Ein 16-jähriges Mobbing-Opfer klagt, weil seine Schule zu wenig dagegen unternommen hat. Der Schüler klagt den Schulerhalter, die Republik, auf Schadenersatz - es ist das erste Zivilverfahren dieser Art in Österreich.

Trotzdem sei dieses nicht unbedingt ein Präzedenzfall: "Jede Mobbingattacke ist ein Einzelfall", sagt Norbert Stütler, Mediensprecher des Landesgerichts Feldkirch. Man könne nicht davon ausgehen, dass in Zukunft immer der Schulerhalter haftet, und auch hier gelte es zuerst, den Streitgegenstand zu bewerten.

Der 16-jährige Schüler soll über zwei Jahre hinweg immer wieder Mobbing-Attacken von Mitschülern ausgesetzt gewesen sein. Die Eltern hätten bei der Schulleitung des Bundesgymnasiums Gallus in Bregenz interveniert. Doch unternommen wurde wenig, lautet der Vorwurf der Eltern.

Der Jugendliche soll unter dem Mobbing psychisch sehr gelitten haben und wird bis heute medikamentös behandelt. Nun fordert er von der Republik 21.000 Euro Schadenersatz. Die Gegenseite betont, sich sehr wohl um das Problem gekümmert zu haben, will aber einen Vergleich nicht ausschließen.

Ein solchen hat der Richter Gerhard Winkler bei der ersten Prozessrunde am Mittwochvormittag vorgeschlagen. "Vielleicht gibt es eine Lösung, bei der keiner als Verlierer vom Platz geht", sagte Winkler.

Nun wird ein Vergleich angedacht

Der Anwalt des Klägers will die Sache nun nochmals mit seinem Mandanten besprechen. Zum Prozess gekommen waren nur die Eltern, im Falle eines nächsten Verhandlungstermins soll der Schüler befragt werden.

Von Lehrern ist immer öfter zu hören, dass Eltern mehr Mitsprache an der Schule einfordern und teilweise sehr stark intervenieren. Die Psychologin und Erziehungswissenschafterin Eva Novotny begrüßt das: "Es ist prinzipiell gut, wenn Eltern hinter ihren Kindern stehen, wenn es gerechtfertigt ist. Es muss transparent sein, was in der Schule passiert." Obwohl medial ist immer öfter von Mobbing zu lesen ist, glaubt Novotny nicht an einen Anstieg der Gewalt in den Schulen: "Grausamkeiten hat es immer gegeben." Die Psychologin glaubt allerdings, dass Gewalt und Mobbing durch das Internet eine neue, folgenschwere Form angenommen haben - denn es ist sehr schwierig, Einträge im Internet wieder zu entfernen.

Psychologische Störungen bei Kindern und Jugendlichen würden heute häufiger erkannt, und würden in der Öffentlichkeit nicht mehr als Makel wahrgenommen: "An manchen Schulen gilt es sogar als chic, in eine Nervenklinik eingewiesen worden zu sein", so Novotny. Sie betont aber auch, die Schulen seien "natürlich überfordert". Für sie ist es paradox, dass die AHS, an denen es im Gegensatz zu Pflichtschulen kaum Psychologen und keine Beratungslehrer gibt, für die Beibehaltung des Status quo sind und fordert die Lehrer auf, sich zu wehren: "Es müssen Arbeitskämpfe geführt werden, die Lehrer müssen für mehr Ressourcen eintreten" - und zwar nicht nur an den AHS, sondern generell.

Doch zurück zu dem Fall in Vorarlberg, bei dem Eltern vor Gericht um ihr Recht kämpfen: Falls sich die Parteien nicht auf einen Vergleich einigen können, soll am 14. Jänner vor Gericht weiterverhandelt und auch der betroffene Schüler selbst befragt werden. Am Nachmittag würden Zeugen geladen. Ob es zu dieser Verhandlung kommt, liegt nun also bei den Parteien.