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Keine "Hexerei", sondern Ergebnis intensiver Forschung. | Wirkstoff Exenatide als neue Waffe gegen Diabetes Typ-2. | Wien. Früher haben Hexen angeblich aus Kröten einen Zaubertrank gebraut. Heute wird daraus eine sehr wirkungsvolle Medizin gegen die Zuckerkrankheit. "Die beste Medizin kommt aus der Natur" und "nur die Dosis macht das Gift": Diese beiden Aussprüche haben sich Forscher zu Nutzen gemacht und - wie berichtet - aus dem Gift einer Krustenechse (Gila-Monster) ein hochwirksames Medikament entwickelt.
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1990 entdeckten US-amerikanische Forscher, dass ein Extrakt aus dem Darm der Echse in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu senken. Von der Entdeckung dieser antidiabetischen Wirkung bis zur Marktreife des Medikaments verstrichen immerhin zehn Jahre. Das Echsengift musste nämlich erst im Labor nachgebaut, synthetisiert, werden, um beim Menschen seine volle Wirkung zu entfalten.
Das Gila-Monster lebt unterirdisch in den felsigen Wüstenregionen New Mexicos und Nevadas und ist die einzige giftige Echse Nordamerikas. Sie ist knapp einen halben Meter lang, schwarz-orangefarbene Flecken bedecken ihren schuppigen Körper. Ihr Biss ist sehr schmerzhaft und ihr Speichel wird nun als innovative Therapie eingesetzt. Der Diabetologe Univ.-Prof. Guntram Schernthaner, Vorstand der I. Medizinische Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung Wien: "Mit diesem Medikament ist ein absoluter Durchbruch in der Diabetes-Behandlung gelungen."
Positive Nebeneffekte
Der New Yorker Hormonforscher John Eng hat den Speichel des Gila-Monsters untersucht. Er fand im Speichel der Tiere ein Hormon, das den menschlichen Inkretinen, die vom Körper selbst erzeugt werden und bei der Entstehung von Diabetes eine wichtige Rolle spielen, gleicht. Dieses Molekül wurde schließlich entschlüsselt, daraus der Wirkstoff Exenatide entwickelt.
Der Wirkstoff senkt freilich nicht nur den Blutzucker, sondern verzögert auch die Magenentleerung und hemmt den Appetit - ein erwünschter Nebeneffekt bei der Therapie der meist übergewichtigen Typ-2-Diabetiker. Es gibt Hinweise darauf, dass dadurch auch der Blutdruck sinkt. Auch scheint Exenatide den Krankheitsverlauf zu verzögern: Dersynthetische Wirkstoff erhöht die Zahl der Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Weiterer Clou: Exenatide wirkt nur, wenn es gebraucht wird - wenn der Blutzuckerspiegel also tatsächlich erhöht ist.
Diabetes Typ-2 ist die häufigste Form der Zuckerkrankheit. In Österreich leiden rund 400.000 Menschen daran, in ganz Europa sind es nach Expertenschätzungen mehr als 46 Millionen Menschen.
Drohende Spätfolgen
Bei dieser Erkrankung ist zu wenig vom körpereigenen Blutzuckerhormon Insulin vorhanden, oder das Hormon wirkt nicht mehr richtig. Dadurch erhöht sich der Blutzucker. Zunächst kann das zu Schwächegefühl und großem Durst führen, den ersten Anzeichen für den "Altersdiabetes". Häufig wird die Erkrankung leider erst nach Jahren bemerkt. Dann drohen als Spätfolgen Herzinfarkte, Schlaganfälle, Demenz oder Nierenversagen.