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Ein Mord überschattet Chiles Wahl

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Untersuchung des Todes von Ex-Präsident Frei unter der Militärdiktatur. | Präsidentin Michelle Bachelet darf nicht mehr antreten. | Wien/Santiago. Chiles Rechte rechnet bei den Präsidentenwahl am kommenden Sonntag mit ihrem ersten Wahlsieg seit der Wiederherstellung der Demokratie vor 19 Jahren. Sebastian Pinera (60), der für die "Allianz für den Wandel" antritt, ein Bündnis der rechtsextremen "Unabhängigen Demokratischen Union" und der Rechtspartei "Nationale Erneuerung" liegt in den letzten Umfragen bei 44 Prozent. Damit führt er um 13 Prozentpunkte vor seinem Mitbewerber Eduardo Frei (67), der schon von 1994 bis 2000 Präsident Chiles war und jetzt wieder für das Mitte-Links-Regierungsbündnis "Concertacion" kandidiert.


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Pinera, der 2006 in der Wahl der derzeitigen Präsidentin, der überaus populären Sozialistin Michelle Bachelet, unterlag, die nicht mehr antreten darf, profitiert vor allem von der Gespaltenheit der Linken. Diese stellt neben dem offiziellen Kandidaten Eduardo Frei noch zwei weitere Bewerber - den Filmemacher Marco Enriquez-Ominami (36), der als Unabhängiger antritt, und Jorge Arrate (68), der für die außerparlamentarische Linke ins Rennen geht.

Vier Ärzte verhaftet

Überschattet wurde der Endspurt für den ersten Wahlgang am kommenden Sonntag von der Entscheidung des Richters Alejandro Madrid, der am Montag gegen sechs Personen ein Verfahren wegen der Ermordung des ehemaligen Präsidenten Eduardo Frei Montalva eröffnete. Vier ehemalige Ärzte und zwei mutmaßliche Helfer wurden wegen der Vergiftung des Staatschefs festgenommen.

Der Vater des gleichnamigen Regierungskandidaten für die Präsidentenwahl, der selbst von 1964 bis 1970 chilenischer Präsident war und dann von Salvador Allende abgelöst wurde, war am 22. Januar 1982 unter mysteriösen Umständen in einer Klinik in Santiago de Chile verstorben. Er war dort wegen eines Leistenbruchs behandelt worden. In Gewebeproben, die von Experten der belgischen Universität Gent untersucht worden sind, wurden Spuren von Senfgas und dem hochgiftigen Thallium gefunden, das Infektionen beschleunigen kann.

Frei Senior, ein Christdemokrat, hatte sich vom anfänglichen Unterstützer des Pinochet-Regimes zu einem entschiedenen Gegner gewandelt. Seine Familie verdächtigt die ehemalige militärische Geheimpolizei Dina, hinter dem Tod des Ex-Präsidenten zu stehen.

Eduardo Frei brach seine Wahlkampagne ab. Am Dienstag begleiteten ihn 400 Anhänger zur Familiengruft. Die anderen Präsidentschaftskandidaten solidarisierten sich mit ihm. Sebastian Pinera, der 1988 für das Ende der Pinochet-Diktatur gestimmt hat - und das in seinen Wahlkampfauftritten nie zu erwähnen vergisst -, setzte sich für eine Aufklärung des Verbrechens an Frei Senior ein, das er als eine "offene Wunde an der Seele der Nation" bezeichnete. Gleichzeitig warf er aber der Regierung vor, im Wahlkampffinale, die Wunden der Diktatur zu öffnen.

Chiles Berlusconi

Pinera, der wegen seinen Beteiligungen an der größten Fluggesellschaft Chiles, am führenden Fernsehsender und einer populären Fußballmannschaft auch als chilenischer Berlusconi bezeichnet wird - auch einige Prozesse hat er bereits hinter sich -, tritt nach 1999 und 2006 zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidat an. Den Umfragen nach würde er auch eine Stichwahl gegen Frei klar gewinnen.

Eduardo Frei Junior, der erst zum Kandidaten der "Concertacion" bestellt wurde, als der sozialistische Ex-Präsident Ricardo Lagos und der Generalsekretär der Organisation der amerikanischen Staaten, Jose Miguel Insulza, auf ein Antreten bei der Präsidentenwahl verzichtet hatte, gilt als farblos und hat den wenig ansprechenden Beinamen "sprechende Mumie".

In der Sozialistischen Partei strebte auch der 1973 geborene Marco Enriquez-Ominami, der Sohn des vom Pinochet-Regime ermordeten Führers der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), Miguel Enriquez, eine Kanditatur an, die ihm jedoch verweigert wurde. Er trat daraufhin aus der Partei aus und bewarb sich als unabhängiger Kandidat. Er hofft auf den Einzug in die Stichwahl.