Knapp vor den Wahlen in Irland stolpert die republikanische Partei über ihre Vergangenheit. Das könnte sie den Wahlsieg kosten.
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Kurz vor den Parlamentswahlen in Irland an diesem Samstag wird die republikanische Linkspartei Sinn Féin von den Geistern ihrer Vergangenheit eingeholt. Es geht, wie könnte es anders sein, um die IRA, um einen grausamen Mord vor 13 Jahren und um umstrittene Aussagen eines alten Sinn-Féin-Ministers aus dem Norden.
Doch von Anfang an: Im Herbst 2007 wird der 21-jährige Paul Quinn in einer Scheune in Monaghan nahe der nordirischen Grenze zu Tode geprügelt. Als Mordwaffe dienen mit Nägeln beschlagene Knüppel und Stahlrohre, laut Quinns Mutter ist jeder Knochen im Körper ihres Sohnes gebrochen. Die Täter werden nie gefasst, doch Paul Quinns Eltern sind überzeugt: Es war die Provisional IRA. Vor seinem Tod soll Quinn eine Auseinandersetzung mit dem Sohn eines hochrangigen IRA-Mannes gehabt haben.
Sinn Féin, lange der politische Arm der Provisional IRA, streitet jegliche Mitschuld der IRA am Tod des jungen Mannes ab. Und auch eine unabhängige Kommission kommt zu dem Schluss, dass die IRA nicht für die Tat verantwortlich war. Doch der Mord hängt wie eine dunkle Wolke über Sinn Féin - und macht Parteichefin Mary Lou McDonald kurz vor den Wahlen massiv zu schaffen.
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Im November 2007 behauptete der heutige Sinn-Féin-Finanzminister Nordirlands, Conor Murphy, gegenüber der BBC, Quinn sei kriminell gewesen, er habe geschmuggelt, "jeder weiß das". Bei einer TV-Debatte am Dienstag darauf angesprochen, versprach Parteichefin McDonald, Murphy werde sich bei der Familie des Opfers für seine Aussagen entschuldigen - was dieser dann auch tat. Doch das reicht nicht: Quinns Eltern wollen, dass Murphy die Namen jener Männer nennt, die ihm damals versichert haben sollen, dass die IRA nichts mit dem Mord zu tun hatte. Zudem soll Murphy von seinem Amt als Finanzminister zurücktreten und im Fernsehen sagen, dass Quinn kein Krimineller war.
Ein Geschenk für die Gegner
Dass die Sache knapp vor den Wahlen wieder zum Thema wird, ist ein Geschenk für die Gegner Sinn Féins. In Nordirland regieren die Republikaner gemeinsam mit der unionistischen DUP, in Irland waren sie noch nie an einer Koalition beteiligt. Hier haben seit jeher die Traditionsparteien Fine Gael und Fianna Fáil das Sagen. Doch seit der Immobilienkrise vor zehn Jahren und der folgenden harten Sparpolitik gewinnt Sinn Féin auch in der Republik an Sympathien. Laut der letzten Umfrage liegt die Linkspartei mit 25 Prozent der Stimmen an erster Stelle, der regierenden Fine Gael werden 20 Prozent vorhergesagt.
Irlands Premier Leo Varadkar nahm die Debatte um den Quinn-Mord zum Anlass, eine Koalition mit Sinn Féin erneut auszuschließen. Und der Chef der konservativen Fianna Fáil, Micheál Martin, sprach von einer Kultur der Schweigepflicht wie bei der Mafia in der Sinn Féin. Bevor eine Koalition mit den Republikanern überhaupt angedacht werden könnte, müssten erst "fundamentale moralische Probleme" gelöst werden.
Das schlagende Argument gegen Sinn Féin war immer ihre Verstrickung in den Nordirlandkonflikt, der mehr als 3500 Menschen das Leben gekostet hatte. Zwar gab es vor zwei Jahren einen Generationenwechsel an der Parteispitze, McDonald löste den umstrittenen Langzeitparteichef Gerry Adams ab. Seither haben jüngere Menschen das Sagen, die während des Nordirlandkonflikts keine Rolle (in der IRA) spielten. Doch es half nichts - die Partei wird ihre Vergangenheit nicht los.
Für Sinn Féin ist der Schaden getan, daran ändert auch die späte Entschuldigung Murphys nichts. Einmal mehr stehen die Verstrickungen mit der IRA im Scheinwerferlicht. Vom Wahlkampf-Narrativ Sinn Feins über Veränderung, mehr Gerechtigkeit und Ende der Austerität ist keine Rede mehr. Die Partei könnte das den Wahlsieg kosten.