Zum Hauptinhalt springen

Ein Müsli, das deinen Namen trägt

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Betriebe können Geld abholen, indem sie Kunden das Produktdesign überlassen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Maßgeschneiderte Schuhe oder Anzüge hatten schon vor Jahrzehnten Saison. Allerdings sind sie nicht für jedermann leistbar und deshalb am absteigenden Ast. Nun erlebt die individuelle Anfertigung von Lebensmitteln, Möbeln, Textilien oder Autos einen neuen Boom. Kunden können sich im Internet austoben und kinderleicht ihr eigenes Produkt je nach Geschmack, Farbe oder Größe designen.

Der Trend nennt sich "Mass Customization" und kommt aus den USA. Dort kann man etwa schon Kronleuchter in Drachenform oder Badehauben und Schlafsäcke mit seinem Namen drauf designen und sich nach Hause liefern lassen. Mittels Mass Customization ist man in der Lage, individuelle Kundenbedürfnisse zu bedienen, bei Kosten, die nur geringfügig über denen eines Standardprodukts liegen. Möglich machen dies zwei technische Entwicklungen: "Zum einen lassen sich mittlerweile durch neue Produktionstechnologien sehr kleine Mengen zu vertretbaren Kosten herstellen", sagt Nikolaus Franke, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Gleichzeitig seien durch das Internet die Kommunikationskosten geringer geworden. So braucht es etwa kein Geschäftslokal mehr, um das Produkt an die Käufer zu bringen.

Ein Duft auf den

Charakter abgestimmt

Wer Lust auf ein ganz spezielles Müsli hat, kann sich auf www.mymuesli.com seine Lieblingssorte aus 80 Zutaten zusammenstellen. Naschkatzen kommen bei www.chocri.de auf ihre Kosten. www.myparfuem.com verspricht selbst kreierte "Düfte, einzigartig wie dein Leben".

"Die Menschen haben ein Bedürfnis, sich durch unterschiedliche Produkte auszudrücken", ist Franke, der mit seinem Team seit Jahren zu "Mass Customization" forscht, überzeugt. Für ein individuell gestaltetes Produkt seien viele bereit, doppelt so viel zu zahlen. Für Unternehmen gebe es auf diesem Gebiet noch viel Geld abzuholen.

Tatsächlich befindet sich "Maßgeschneidertes von der Stange" im deutschsprachigen Raum noch in einer sehr frühen Phase. Große Unternehmen wie Nike oder Puma bieten zwar bereits Sportschuhe zum Selbstdesignen an. Auch den Mini-Cooper von BMW können Autokäufer nach eigenen Vorstellungen online ummodeln. Sie sind aber unter Konzernen eher die Ausnahme.

Es sind derzeit vor allem kleine Start-up-Unternehmen, die den nicht risikolosen Schritt wagen. Dabei sieht der Experte Franke gerade bei höherpreisigen Produkten noch viel Potenzial: von Uhren bis hin zu Möbeln. Lohnenswert sei alles, wo es eine Nische gibt. So würde es sich beispielsweise bei einem Sofa anbieten, Rückenlehne, Farbe oder Stoff selbst zusammenzustellen. Ein eingescanntes Foto vom Wohnzimmer reicht aus, um sein Möbelstück realitätsnah zu mustern.

Der Körper-Scanner als Maßschneider

High-Tech-Geräte wie Körperscanner machen es theoretisch auch möglich, online mit genauen Körpermaßen zu arbeiten. So erhält der Kunde nach kurzer Zeit etwa ein gut sitzendes Kleid - Marke Eigenbau. Via PC-Laufsteg kann er dann Gast auf seiner eigenen Modenschau sein.

Der Weg dorthin muss für die Menschen kinderleicht sein. Wer "Mass Customization" anbieten will, sollte den gesamten Prozess aus Sicht des Kunden betrachten: "Dieser will schnell zu seinem Wunsch-Design gelangen. Werkzeuge sollten einfach zu bedienen sein und genug Variationen erlauben", erklärt Franke. Allerdings dürfen einen die vielen Auswahlmöglichkeiten auch nicht überfordern. Ein weiterer Tipp: Der Anbieter muss dafür sorgen, dass der Kunde bereits online ausreichend Feedback zu seinem Produkt bekommt. Dies ist bei Textilien und Einrichtungsgegenständen leicht möglich; bei Lebensmitteln, bei denen es um den Geschmack geht, freilich nicht. Ob der Tee mit Amaretto-Geschmack einem mundet oder nicht, erfährt man erst beim Trinken. Ein Umtausch ist ausgeschlossen.

Dadurch ist auch ausgeschlossen, dass sich bei den Unternehmen die Lager mit überschüssiger Ware stapeln und teure Lagerkosten anfallen. Der Anbieter muss bei "Mass Customization" nur noch nach konkretem Bedarf produzieren. Gleichzeitig kann er die Wünsche der Kunden für die eigene Marktforschung nützen: Werden bei einem Pullover zum zwanzigsten Mal per Mausklick die Knöpfe entfernt, sollte sie der Hersteller in Zukunft wohl komplett weglassen.