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Am 12. April verstarb Wilhelm Weber, langjähriger Ordinarius für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, im 89. Lebensjahr. Er hat der traditionsreichen Rechts- und Staatswissenschaftlichen und später der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät seinen Stempel aufgedrückt.
Weber wurde am 3. 6.1916 in Wien geboren, studierte Rechtswissenschaft, erwarb das staatswissenschaftliche Absolitorium, erlernte wie sein Vater das Schlosserhandwerk und legte die Gesellenprüfung ab, was für einen Jungakademiker damals wie heute nicht alltäglich ist. Nach dem Studium erhielt er einen Assistentenposten bei Prof. Hans Mayer, einem der bedeutendsten Vertreter der Grenznutzenschule, die für sein Wirken und Werk richtungweisend sein sollte. Nach dem Krieg stand Weber kurze Zeit im Dienste der Bundespolizeidion Wien, ehe er seine ursprüngliche Tätigkeit an der Universität wieder aufnehmen konnte. Im Jahre 1950 erfolgte seine Habilitation über das Problem der gesellschaftlichen Wertungen in den Wirtschaftswissenschaften. Die Aufenthalte in den USA als Stipendiat der Rockefeller Foundation, sowie seine Tätigkeit als Gastprofessor am Bologna Center der John Hopkins University, waren Meilensteine in seinem Werdegang. Im Jahre 1963 wurde Weber zum ordentlichen Professor und Vorstand des Institutes für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien ernannt. Im Studienjahr 1967/68 erhielt er die Würde und Bürde eines Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen, sowie noch zweimal der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Das äußerst umfangreiche und weitverzweigte wissenschaftliche Opus kann nur streiflichterartig angedeutet werden. Schon in der frühen Phase seiner Forschungen galt das Interesse den welfare economics und dem berühmten Nationalökonomen J. M. Keynes, der im Zeitalter des Neoliberalismus ins Ausgedinge verbannt wurde. Auch das seit einigen Jahren wieder im Mittelpunkt stehende politische Zentralthema "öffentlich versus privat" war auch für Weber seit langem Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung - als "gebürtiger" Jurist, geradezu prädestiniert für eine Zusammenschau von Ökonomie, Politik und Recht. Selbstverständlich war dem Verstorbenen die europäische Integration ein großes Anliegen, das immer wieder schriftlich seinen Niederschlag gefunden hat. Ein weiterer Schwerpunkt seines wissenschaftlichen Interesses darf nicht unerwähnt bleiben: Die theoretisch fundierte Forschung auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens, eines organisatorischen Typus, der aus unserem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken ist (siehe Raiffeisenorganisation). Als jahrzehntelanger Vorstand des Forschungsinstitutes für Genossenschaftswesen der Universität Wien und Herausgeber zweier Schriftenreihen dieses Institutes hat er sich große Verdienste um dieses interdisziplinäre Spezialgebiet erworben. Wenngleich Fortschritt der Wissenschaft in unserer Zeit mehr denn je mit Spezialisierung und Differenzierung verbunden ist, hat Weber den Blick aufs "Ganze" im Sinne der Einheit der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften nie außer Acht gelassen. Die Reintegration verschiedener Teildisziplinen war ihm immer ein großes Anliegen.
Wilhelm Weber war ein ausgezeichneter Mann im doppelten Sinn des Wortes. Er war Ehrendoktor der Universitäten Graz, Innsbruck und Pecs und außerdem Träger zahlreicher Preise.
Wie seine Namensvetter Max, Alfred und Adolf Weber ist auch Wilhelm Weber ein hervorragender Repräsentant der Sozialwissenschaften, der allen, die ihn gekannt haben, in bester Erinnerung bleiben wird.