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Ein Nazi ist ein Nazi, wenn er ein Nazi ist

Von Walter Hämmerle

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Über die möglichen Folgen eines erstinstanzlichen Urteils des Innsbrucker Landesgerichts.


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Vergangene Woche urteilte das Innsbrucker Landesgericht, dass der FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer als Nazi bezeichnet werden kann. Hofer hatte sich via Privatanklage gegen ein Facebook-Posting des Tiroler SPÖ-Landesparteichefs Ingo Mayr gewehrt, in welchem dieser den FPÖ-Politiker sinngemäß als solchen bezeichnet hatte. Für das Gericht bewegte sich Mayrs Aussage im Rahmen der Meinungsfreiheit, zumal es für diese Meinung, so die Richterin, ein Faktengerüst und "Tatsachensubstrat" gebe, das "sehr dicht und fundiert" sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Hofers Rechtsvertretung meldete Berufung an.

Einige Tage zuvor war Mayr im Zivilprozess zur selben Causa vom Landesgericht für schuldig befunden worden. Vor Gericht und auf hoher See ist man eben in Gottes Hand. Mayr selbst findet übrigens, dass er übers Ziel hinausgeschossen habe. Er entschuldigte sich und erklärte vor Gericht, "Hofer ist kein Nazi".

Für dieses Urteil spricht, wenn es denn den Instanzenzug überstehen sollte, die offensive Interpretation des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, eines der höchsten Güter des liberalen Rechtsstaats.

Dagegen sprechen drei Gründe: der gelindeste ist aktuell politischer Natur, der zweite, bereits gewichtigere, ist geschichtspolitischer, der dritte und gewichtigste ist juristischer Art. Jemanden als Nazi zu bezeichnen, ist in unseren Breiten wohl der denkbar schlimmstmögliche Vorwurf. Mit so jemandem kann es kein politisches Gespräch geben. Die so Bezeichneten werden versuchen, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Am Ende besteht die politische Arena nur noch aus Nazis, Rechtsextremen, Stalinisten oder Kommunisten, auch wenn die Bezeichnung auf keinen der Beteiligten faktisch zutrifft. Kaum vorstellbar, dass dies die Politik attraktiver machen könnte.

Sodann fügt die Freigabe des Begriffs Nazi für das tagespolitische Schlammcatchen dem historischen Bewusstsein schweren Schaden zu: Wenn Hofer ein Nazi ist, was waren dann Goebbels, Eichmann und Himmler? Ungleiches mit Ungleichem gleichzusetzen hat noch selten zur Aufklärung beigetragen.

Schließlich impliziert das Urteil auch juristische Folgen: Wenn man, wie das Innsbrucker Gericht insinuiert, nun eigentlich jeden FPÖ-Politiker als Nazi bezeichnen könnte, was sind dann verurteilte Neonazis wie Gottfried Küssel? Und wie verhält sich das Hofersche Nazi-Etikett mit dem Verbot von NS-Wiederbetätigung? Müsste dann nicht jeder FPÖ-Politiker automatisch angeklagt, die Partei verboten und von Wahlen ausgeschlossen werden?

Es ist okay, politische Gegner nicht zu mögen, man kann diese sogar recht grundsätzlich ablehnen in allem, was sie tun und sagen. Ja sogar beschimpfen und beleidigen ist okay, wenn man das zivilrechtliche Risiko einzugehen bereit ist. Was man allerdings nicht tun sollte, ist, jemanden Nazi zu nennen - und schon gar nicht, wenn man nicht einmal selbst glaubt, dass dieser jemand ein Nationalsozialist ist. Und zwar aus dem historischen Bewusstsein heraus, welche Gräuel diese Weltanschauung hervorgebracht hat.

Einzige Ausnahme: Man ist wirklich überzeugt, es mit einem Nazi zu tun zu haben.