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Ein Neubeginn mit Nichts

Von Simon Rosner

Politik
Zurück in Pakistan, abgeschoben - und dann? Für Zurückgekehrte ist der Neubeginn in der Heimat schwer.
© Corbis/Reza/Webistan

Wer freiwillig zurück in die Heimat fährt, darf mit großzügiger Unterstützung rechnen.


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Wien. Abschiebungen sind klandestine Vorgänge. Informationen, wer, wann und über welche Route fliegt, werden von der Polizei aus taktischen Gründen nicht preisgegeben. Nur soviel: Einige der festgenommen Pakistanis aus dem Servitenkloster sind bereits in ihrer Heimat, andere sitzen noch in Wien. "Wir haben keinerlei Informationen über sie", sagt Martin Gantner, der Pressesprecher der Caritas, die sich monatelang um die Flüchtlinge gekümmert hat. Die Caritas weiß nicht, wie es den Menschen geht.

Dann platzte am Dienstag auf einmal die Meldung auf, dass weitere drei im Servitenkloster schlafende Flüchtlinge verhaftet wurden, doch diesmal nicht wegen Abschiebungen, sondern wegen des Verdachts auf Schlepperei. Sie sollen Teil einer Bande sein, die Schleppungen organisiert haben soll. "Die Vorwürfe der Behörde sind auch für die Caritas neu", sagt der Generalsekretär der Caritas Wien, Klaus Schwertner.

Zentral ist für die Caritas aber vorerst die Sorge um die Abgeschobenen. Auch Kardinal Schönborn hatte sich in Ö1 besorgt geäußert: "Ich hoffe, dass es ihnen möglich ist, eine neue Existenz aufzubauen. Wir werden versuchen, diese Menschen zu begleiten, ihnen dort weiter den Schutz zu geben, den wir ihnen auch versprochen haben."

Der Neustart beginnt für abgeschobene Flüchtlinge allerdings schon bei der Landung mit Schwierigkeiten. Das dürfte auch jene acht treffen, die in diesen Tagen gegen ihren Willen nach Pakistan geflogen werden. "Normalerweise werden sie am Flughafen den örtlichen Sicherheitsorganen übergeben", erzählt Anny Knapp vom Verein Asylkoordination. Was dann folgt, sind eingehende Untersuchungen, teilweise werden für das illegale Verlassen des Landes gleich einmal Strafen eingehoben, was insofern problematisch ist, da viele abgeschobene Flüchtlinge nur jene 50 Euro in der Tasche haben, die als eine Art Transportgeld von der Fremdenpolizei ausgehändigt werden.

Bakschisch nötig

Doch was dann ? Die Flüge landen teilweise in der Nacht, es ist niemand auf dem Flughafen, der diese Personen abholt, es fehlt an Geld, das die Menschen dorthin bringt, wo Familie oder Bekannte für das Nötigste sorgen könnten. Dass lokale Behörden bei der Einreise mitunter auch Bestechungsgelder einfordern, "komme vor", sagt Günter Ecker vom Verein Menschenrechte Österreich, der im Auftrag des Innenministeriums sowohl Schubhäftlinge betreut wie auch freiwillige Rückreisen organisiert. Ecker kennt derartige Berichte aus der Ukraine.

Sofern zurückgekehrte Menschen eine Telefonnummer hinterlassen haben, werden sie drei Tage später von Eckers Verein kontaktiert. "In dem Monitoring kommen schon sehr häufig die Fragen: Wo soll ich wohnen? Wie komme ich zur Beschäftigung?" Auch Knapp erzählt. "Irgendwie müssen sich diese Menschen durchwurschteln".

Seit mehr als 15 Jahren gibt es Programme der EU zur Förderung von Reintegration der zurückgekehrten Menschen. Allerdings stehen diese Projekte nicht jenen offen, die zwangsweise außer Landes gebracht wurden. Für sie gibt es eben nur 50 Euro, um vom Flughafen irgendwie weiterzukommen. Im Fall der nun abgeschobenen Pakistanis kündigte Kardinal Schönborn an, über die dortige Caritas zu versuchen, den Menschen zu helfen.

Eine echte Rückkehrhilfe gibt es aber nur bei freiwilligen Rückkehr. Im Vorjahr haben sich 3210 Flüchtlinge zu einer solchen Rückkehr entschlossen, 1853 wurden abgeschoben. "Das ist für alle Beteiligten der bessere Verlauf", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Trotz teilweise stattlicher Förderungen, die vom Ministerium und/oder der EU gewährt werden, sind freiwillige Rückkehren von Flüchtlingen auch finanziell für die öffentliche Hand attraktiver.

Die Caritas bietet über ihre Rückkehrhilfe Beratungen für Flüchtlinge an. In den meisten Fällen kommen jene, die einen negativen Bescheid erhalten haben und ausreisen müssen und von Abschiebung bedroht sind. Aber immerhin 11,5 Prozent aller, die die Perspektivenberatung der Caritas in Anspruch nehmen, haben eine Aufenthaltserlaubnis. Freiwilligkeit ist in diesem Zusammenhang eben ein mitunter gedehnter Begriff. "Was ist schon freiwillig?", fragt Karin Knogl, die Leiterin dieser Beratungsstelle.

Wenn das Heimweh siegt

Es kann einfaches Heimweh sein, bisweilen sind es hierzulande erlittene Enttäuschungen, manchmal ist es auch eine schwere Erkrankung eines Familienmitglieds im Heimatland. Anerkannte Flüchtlinge haben zwar einen Pass, mit dem sie überall hinreisen können - nur in die Heimat dürfen sie nicht. Nie mehr, wenn sie ihren Asylstatus nicht verlieren wollen.

"Die Entscheidung zu einer freiwilligen Rückkehr ist daher eine ambivalente Sache", sagt Knogl. "Es gibt wenige, die wirklich zurückwollen, es stellt sich die Frage, was mehr wiegt: die gesicherte soziale Situation hier oder die Heimat."

Dazu kommt, dass eine Rückkehr, egal ob freiwillig oder nicht, immer auch mit Ängsten verbunden ist. Wie nimmt einen die Familie auf? Wird man wieder Fuß fassen können? Das Taschengeld, das bei einer freiwilligen Rückkehr deutlich höher ist, bis zu 370 Euro beträgt, wird auch nicht selten gleich in Geschenke investiert. "Es geht um eine Rückkehr in Würde, und da muss man eben etwas mitbringen", erzählt Knogl.

In den vergangenen Jahren hat es in der gesamten EU diverse Bestrebungen gegeben, die Freiwilligkeit zu alimentieren oder anderweitig zu begünstigen. Spanien hat etwa 2008 arbeitslos gewordenen Migranten einen Pauschalbetrag ausgezahlt, wenn diese das Land verlassen. Der Erfolg der Maßnahme war jedoch überschaubar, und auch in Österreich glaubt Günter Ecker, dass Förderprogramme die Rückkehrentscheidung nur in einigen Fällen wirklich beeinflussen.

In Österreich erhalten freiwillige Rückkehrer neben dem erhöhten Taschengeld auch eine Betreuung, zumindest wird am Zielort eine Abholung, eine Übernachtungsmöglichkeit sowie der weitere Transport organisiert. Dies wird dann nicht mehr vom Innenministerium, sondern von der IOM, der "International Organization for Migration", organisiert.

Die IOM bietet auch Projekte an, die der Reintegration dienen sollen, in Fall von Pakistan gibt es derzeit zwei, die vom Innenministerium finanziert werden. Das BMI hat von 2008 bis 2012 im Zusammenhang mit der freiwilligen Rückkehr EU-Mittel von etwa 4,8 Millionen Euro genutzt, unter anderem fließt das Geld eben auch in Projekte nach Pakistan.

Förderung bis zu 3000 Euro

Rückkehrer können bis zu 3000 Euro in Sachleistungen erhalten, etwa um ein kleines Geschäft aufzubauen oder um sich aus- und weiterzubilden. "Es geht generell um einkommensgenerierende Maßnahmen", sagt Daniela Blecha, die IOM-Projektleiterin in Wien. Sie berichtet von einer großen Nachfrage, so sind die 30 verfügbaren Plätze im ersten Halbjahr schnell vergeben gewesen - laut Innenministerium kehrten in diesem Zeitraum 49 Personen freiwillig nach Pakistan zurück. Ein neues Projekt für 50 Personen wurde deshalb bereits wieder initiiert.

Die acht Flüchtlinge aus dem Servitenkloster können diese Projekte nicht in Anspruch nehmen, da sie zwangsweise abgeschoben wurden. Sie hofften bis zuletzt auf ein Bleiberecht in Österreich. Jetzt stehen sie vor dem Nichts.